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Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition)
Autoren: Oliver Kern
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Wochen hatte eine undurchsichtige Dunstglocke über die Stadt gestülpt, die nun hartnäckig und schwer auf den Hausdächern lag. Der flaue, warme Wind besaß nicht die Kraft sie zu vertreiben, geschweige denn, eine ersehnte Abkühlung zu bringen.
    Seine Gedanken kreisten um den seltsamen Besucher, dessen Anliegen längst vergessene Gefühle an die Oberfläche schwemmte. Der Asiat rief im das Bild einer Frau ins Gedächtnis. Lea!
    Die Erinnerung an ihr wunderschönes Gesicht war mehr und mehr verblasst, wurde in seinem Gedächtnis immer unschärfer und abstrahierte zu einer vagen Vorstellung. Aber sie vergessen, nein, das war unmöglich. Das Foto von Lea brachte schlagartig alles wieder zurück – fast alles.
    Sein alter Volvo stand am dunkelsten Punkt zwischen zwei Laternen. Weder die eine noch die andere Natrondampflampe schien in der Lage zu sein, ihren Lichtkreis bis zu seinem Wagen ausdehnen zu können. Nachdenklich stocherte er mit dem Zündschlüssel um das Türschloss herum. Ein Geräusch ließ ihn hochschrecken. War da ein Schatten? Etwas, das sich in der Dunkelheit schnell bewegte? Er horchte. Sein Herzschlag erhöhte sich und er spürte, wie Adrenalin in seinen Blutkreislauf gepumpt
    wurde. Nichts. Kein Geräusch, niemand der im Finstern umher schlich. Er schüttelte den Kopf, konnte sich nicht erklären, was ihn dermaßen aufwühlte. Endlich glitt der Schlüssel ins Schloss und die Verriegelung sprang auf.
    Als er hinter dem Steuer saß, fühlte er sich besser. Die grünen Ziffern der Digitaluhr zeigten zwanzig vor eins. Eine Bewegung im Rückspiegel ließ ihn erneut zusammenzucken. Er startete den Motor und fuhr mit durchdrehenden Reifen aus der Parklücke. Nachdem er auf die Hauptstraße eingebogen war, normalisierte sich sein Puls. Jetzt war er überzeugt, dass ihm seine Nerven etwas vorgegaukelt hatten. Niemand will etwas von dir. Sind Sie bereit, uns bei der Suche nach dieser Frau zu helfen?
    Wer waren diese Leute und wieso waren sie gewillt ihm soviel Geld zu zahlen?
    Fast ein Jahr hatte er nichts mehr von Lea gehört und konnte sich keinen Reim darauf machen, warum man ausgerechnet ihn nach ihr fragte. Aus Neugierde beschloss er diesen Kham aufzusuchen, zumal zu klären war, woher dieser Mensch über seine Finanzlage Bescheid wusste. Hängt es mit dem Vorfall vor drei Jahren zusammen? Er hatte eine schlechte Presse, damals, als er noch seinem alten Job nachging. Das und andere Dinge waren verantwortlich, für seine Schulden. Aber erinnerte sich noch irgendjemand daran? War das schnelllebige Medienzeitalter nicht dafür bekannt, dass Nachrichten in Vergessenheit gerieten, noch ehe die Druckerschwärze trocken war? Was, wenn jemand gezielt nach Schatten in seiner Vergangenheit gesucht hatte? Dann war er sicher fündig geworden und konnte die entsprechenden Schlüsse ziehen: Dass Frank nach der Misere keinen Fuß mehr auf den Boden brachte, die Gerichtskosten Unsummen verschlangen und trotzdem zu
    keiner Rehabilitation führten und er deswegen als Barkeeper in einer zweitklassigen Kneipe arbeitete. Wenn man eins und eins zusammenzählte, konnte man sicher darauf kommen, dass er Geld brauchte. Aber wer würde sich die Mühe machen? Und warum? Nur weil eine Frau verschwunden war, mit der er ein kurzes Techtelmechtel hatte? Oder war da noch mehr?
    Ohne es bewusst wahrzunehmen, war er in seiner Straße angekommen. Er stellte den Wagen ab und trottete in sein kleines Appartement hinauf, das im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses lag. Er wohnte direkt unter dem Dach, was bei der anhaltenden Hitze kein Vorteil war. Urplötzlich übermannte ihn bleierne Müdigkeit und er ließ sich wie ein Stein aufs Sofa fallen. Aus Gewohnheit griff er nach der Fernbedienung, ohne sie zu benutzen. Nein, er wollte nicht fernsehen. Er wollte sich erinnern. Erinnern an den August vor einem Jahr. An den Tag, an dem Lea in sein Leben trat.
     
     
    Fünf Margaritas
    24. August 2002
    Der Sommer lag in den letzten Zügen. Nach dem Sonnenuntergang wurde es bereits empfindlich kalt. Seit Frank in der Bar arbeitete, lebte er die Nächte intensiv. Sein Schlafzyklus verschob sich, langsam und unfreiwillig war er zum Nachtmenschen geworden - ein lichtscheues Wesen. In warmen Sommernächten bereitete es ihm Vergnügen, bis zum Morgengrauen auszuharren, der Müdigkeit zu trotzen und diese spezielle Zeit, diesen verschwommenen Übergang zum neuen Tag wohlwollend zu zelebrieren. Er genoss es die Morgenröte zu beobachten, die langsam
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