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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman
Autoren: A1 Verlag GmbH
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Violets Kummer linderte! Die Hindufamilien verfolgten aus einiger Entfernung dieses anrührende Schauspiel und fühlten sich geschmeichelt, daran teilhaben zu dürfen.
    Violet hielt Pieta in den Armen. Hinter ihr standen, jeweils zu zweit nebeneinander, ihre engsten Verwandten ordentlich und schicklich aufgereiht. Victors Bruder, seiner Mutter, seiner ältesten und seiner mittleren Schwester – die jüngste war in Madagaskar – und deren jeweiligen Ehemännern folgten Victors Freunde, Kollegen aus der Air-India-Werkstatt und katholische Nachbarn aus den CWD -Chawls. Die Männer trugen schwarze Schlipse und schwarze Jacketts, die Frauen schwarze Kleider.
    Victors Bruder wird, wenn er morgen zur Arbeit geht, eine schwarze Binde am Hemdsärmel tragen. Victors Mutter wird ein ganzes Jahr lang Schwarz tragen. Der Tod wird seine Verwandten zu etwas Besonderem machen. Sie werden ein Jahr lang ihre Trauer hegen und mit berechneter Bescheidenheit zur Schau stellen. Sie werden leise sprechen und erwarten, ehrerbietig behandelt zu werden. Wo sie auch hinkommen, werden die Leute die Augen niederschlagen, ihnen den Vortritt lassen und flüsternd des Verblichenen gedenken.
    Pater Agnello D’Souza schlug über Victor das Zeichen des Kreuzes. Die versammelte katholische Gemeinde sang mit ihm einen schönen, feierlichen Psalm.
    Die Hindus aus dem Erdgeschoss, aus dem ersten, zweiten, dritten und vierten Stock der CWD -Chawls fühlten sich ausgeschlossen.
    Zwei Typen vom Bestattungsinstitut arrangierten Dutzende von Blumensträußen, Kränzen und Kreuzen auf und um Victor herum. Weiße Lilien, rote, weiße und gelbe Rosen, kühle, lindernd zarte, grüne Farnwedel. An jedem Blumenarrangement waren Schleifen mit Name, Unterschrift und Adresse des jeweiligen Spenders sowie eine poetische Botschaft angebracht. Es war nicht ganz klar, an wen die Botschaften gerichtet waren. An Gott? Den Verblichenen? Die Hinterbliebenen?
    â€žBei Jesus auf ewig. Auf Erden unvergessen.“ „Uns entrissen. Nunmehr in Gottes Schoß.“ „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen.“ Unterzeichnet Gilbert Rodriguez, Gattin und Familie, Errol D’Souza, Mr und Mrs Quentin Aranha, Julian Fonseca und die Schwestern Fonseca, Mr und Mrs Paul Monteiro, Michael Pereira und Mama, Sebastian Veigas und Familie, Joachim Castellino, Cajetan Figuereido, Peter Menezes mit Gattin, Mutter und Fam., Ozzy Braganza und Familie.
    Der letzte Kranz kam vom Catholic Brotherhood Club der Air India. Es war ein riesiges Flugzeug aus Blumen. Auf seinem weißen Band stand in Rot zu lesen: „Möge deine Seele zu unserem Heiland Jesus Christus fliegen.“ Sie versuchten, es in den Leichenwagen hineinzubugsieren, aber die Tragflächen hatten eine zu große Spannweite. Zuletzt war es Paul Monteiro, der die Lösung hatte: „Warum bindet ihr das Flugzeug nicht aufs Wagendach?“
    Wann immer von da an das Gespräch auf Kränze und Dekorationen kam, gedachte man voller Ehrfurcht der prunkvollen Blumengebinde bei Victors Leichenbegängnis. Der Leichenwagen sah wie das Hochzeitsbett in einem Märchen aus, und Victor war der Prinz. Es war nur eine Frage von Minuten, bis die unglaublich liebliche Prinzessin in ihrem weißen Kleid ankommen und Victor auf die Lippen küssen würde, worauf die beiden auf der Air-India-Maschine in den Sonnenuntergang fliegen würden.
    Die Hindu-Mädchen und -Jungen und deren Eltern aus den benachbarten Chawls rissen angesichts der unbeschreiblichen Schönheit einer katholischen Leichenfeier Augen und Mund auf. Wahrlich, selbst wenn man als Hindu auf die Welt gekommen war, lohnte es sich, sie als Katholik zu verlassen. Wie viel Pomp und Prunk und Feierlichkeit eignete doch dem christlichen Tod!
    Plötzlich aber brach die Hölle los. Die Erde schien zu beben und der Himmel wankte. Die Trauergemeinde blickte völlig verstört um sich und selbst Pater Agnello D’Souza bekam kein Wort mehr heraus. War die zweite babylonische Sprachverwirrung ausgebrochen?
    In Parvati-bais Fenstern platzierte Lautsprecher plärrten die gesamte Nachbarschaft mit den Litaneien des Satyanarayana -Rituals zusammen. Parvati-bai hatte einen Brahmanen priester angeheuert, damit er Gott für das Wunder dankte, das ihren Sohn vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, und der Mann tat wirklich etwas für sein Geld. Die CWD -Chawls, diese steinalten Bauwerke,
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