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Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Titel: Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Autoren: Jochen Hellbeck
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wenn die Russen kämen, mit einer weißen Fahne hinausgehen und erklären müsse, dass wir keinen Widerstand leisten würden, da sich im Gebäude ein Lazarett befinde. Am 2. Februar etwa um 8 Uhr ertönte plötzlich ein Schrei: ›Dolmetscher, raus, drei russische Panzer vor der Tür!‹« Die russischen Panzersoldaten nahmen ihnen auf der Stelle Waffen und Uhren ab. »Was die Disziplin betrifft«, erklärte Bredahl, »so kenne ich nur wenige Fälle, dass gegen sie verstoßen wurde, allerdings hat die Disziplin in den letzten Tagen vor der Übergabe nachgelassen, so war ich zum Beispiel selbst Zeuge davon, wie Soldaten, die in die Schützengräben geschickt worden waren, nach einer Stunde wieder auf dem Gefechtsstand auftauchten und die Befehle, sich sofort an die vorderste Linie zu begeben, nicht erfüllten.«
    Auf die Frage nach der Roten Armee erklärte Bredahl: »Ihre Artillerie arbeitet sehr gut, auch die Granatwerfer arbeiten nicht schlecht. Was die Luftwaffe betrifft, so ist sie schwächer als unsere. Erstens fürchten Ihre Flugzeuge unsere Jäger, die sie häufig abschießen, zweitens treffen sie kaum das Ziel, obwohl sich Ihre Flugzeuge in der letzten Zeit wie zu Hause fühlen konnten, da unsere Flak-Artillerie ausgefallen war. Über das Kommando der Roten Armee ist unter unseren Offizieren folgende Meinung verbreitet: Die Russen haben von uns Deutschen kämpfen gelernt, jetzt kämpfen sie nicht schlecht.«
    Über die Lage der russischen Kriegsgefangenen sagte Bredahl aus, dass am 15. Januar vom Divisionskommando der Befehl erteilt worden sei: Für jeden Geflüchteten werden zwei Gefangene erschossen, dieser Befehl war dadurch bewirkt worden, dass sich im Januar die Fluchtfälle erheblich gehäuft hätten. Nach Bredahls Worten wurde dieser Befehl nicht ausgeführt. »Die Lage Ihrer Gefangenen war schwer: In der letzten Zeit erhielten sie überhaupt kein Brot mehr, und vor der Einschließung bestand ihre Verpflegung aus 370 g Brot und Pferdefleischsuppe.«
    Chef der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee Major Koltynin
    Oberinstrukteur der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee Hauptmann Sajontschkowski
    [Unterschrift Sajontschkowski]

    Quelle: NA IRI RAN, f. 2, razd. I, op. 258, d. 5, l. 1–22 u. ch. 2. [746]  
    Aus dem Russischen von Annelore Nitschke

Ein deutsches Tagebuch aus dem Kessel
    Unter den von der Historikerkommission in Stalingrad gesammelten Dokumenten befinden sich Auszüge aus dem Tagebuch eines deutschen Gefreiten, das sowjetische Soldaten während der Kämpfe in Stalingrad im Dezember 1942 oder Januar 1943 vermutlich bei seinem toten Besitzer fanden. Zu Auswertungszwecken wurde das Tagebuch dem Nachrichtendienst der 62. Armee übergeben, der in Auszügen eine russsische Übersetzung anfertigen ließ.
    Diese in Übersetzung erhalten gebliebenen Auszüge beginnen mit dem 22. November, als das in Kalatsch am Don stationierte Regiment des Soldaten von sowjetischen Panzertruppen angegriffen wurde, die von Norden und Südosten her vorstoßend die beiden Speerspitzen der Operation Uranus bildeten und bei Kalatsch aufeinandertrafen. Damit war der Stalingrader »Kessel« geschlossen. Das Tagebuch dokumentiert die Verwirrung der nächsten Tage, die erfolglosen Versuche der Deutschen, den Kessel zu sprengen, und danach den Rückzug nach Osten, Richtung Stalingrad. Im Fabrikbezirk wurden die inzwischen auf Hungerrationen gesetzten Männer in den Kampf geschickt. Die am 18. Dezember 1942 mit Todesahnungen und wehmütigen Gedanken an die Familie in der Heimat endenden Eintragungen lesen sich als ein ergreifendes Zeugnis schierer menschlicher Not.
    Die häufig verzweifelten Stimmen aus dem Kessel sind in Deutschland seit der ersten Veröffentlichung der »Letzten Briefe aus Stalingrad« (1951) gut bekannt. [747]   Weniger bekannt ist der sowjetische Umgang mit einigen dieser Quellen wie etwa dem vorliegenden Tagebuch. Wie sowjetische Teilnehmer der Schlacht dieses Tagebuch lasen und wie sie es für ihre eigenen Zwecke nutzten, wird im Anschluss an das Dokument gezeigt.
    Übersetzung
Aus den erbeuteten Dokumenten, die in der 7. Abtlg. der Politabteilung der 62. Armee am 1. Januar 1943 eingegangen sind
    Tagebuch eines Gefreiten der 10. Kompanie des 578. Regiments der 305. Infanteriedivision

    22. November – nachts Rückzug von Kalatsch
    23. November – russische Flieger, pausenlose Angriffe
    24. November – Um 3.45 Uhr aufgestanden und schweren Marsch auf Sand
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