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Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Titel: Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Autoren: Jochen Hellbeck
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Heute haben wir 1/7 Brot erhalten, etwas Fett, und es sollte noch warmes Essen geben. Aber am Abend bin ich vor Schwäche umgefallen.
    12. Dezember – Immer noch in Stalingrad. Eine neue Einheit versorgt uns. Um das Essen ist es immer noch schlecht bestellt. Gestern habe ich etwas Pferdefleisch mitgebracht. Heute leider nichts. Ich hoffe trotzdem, durchzuhalten. Es muss doch besser werden. Die Nacht war heute sehr stürmisch: Artilleriefeuer, Granaten. Die Erde bebte. Unser Unteroffizier ist ins Gefecht gegangen. Bald werden auch wir folgen. Unter uns sind Durchfallkranke. Ich bin furchtbar hungrig. Wenn es doch etwas leichter würde. Nur nicht krank oder verwundet werden. Lieber Gott, beschütze mich. Die Kanonen schießen pausenlos. Granaten pfeifen. Habe heute einen Brief geschrieben. Will hoffen, dass meine Lieben bald Nachricht von mir bekommen. Jetzt sehe ich meine Frau ganz deutlich vor mir.
    13. Dezember – Heute Abend gab es Reismehl und 1/16 Konserve. Ich war glücklich darüber. Sonst nichts Neues. Fühle mich sehr schwach, starker Schwindel.
    14. Dezember – Die Ohnmachten dauern an. Es gibt keine Hilfe. Hier sind viele Verwundete, die nicht gepflegt werden. Alles wegen des Kessels.
    Habe meine letzte Papirossa angesteckt. Alles geht dem Ende zu. Was ich in der letzten Woche durchgemacht habe, ist einfach zu viel. Ich habe die ganze Zeit furchtbaren Hunger. Das vorige Jahr in Russland kann man für eine gute Zeit halten im Vergleich zu dem, was jetzt los ist. Habe heute bis zum Mittag 1/7 Brot und ein winziges Stückchen Butter gegessen. Die ganze Nacht und auch jetzt werden wir beschossen. Was für ein hartes Leben! Was für ein schreckliches Land! Ich setze alle meine Hoffnungen auf Gott, den Glauben an die Menschen habe ich schon verloren.
    15. Dezember – Wir müssen an die vorderste Linie. Über den Schützengraben stolpernd und robbend, gingen wir zwischen den Ruinen Stalingrads hindurch. Ein Schwerverwundeter wurde vorbeigetragen. Wir kamen zum Gefechtsstand. Dann stiegen wir in den Fabrikkeller hinunter, dann ging ein Großteil von uns ins Gefecht. Es blieben nur 13 Mann zurück. Ich war der Ranghöchste unter diesen Männern. Ringsum Dreck und Trümmer. Man kann nicht raus. Alles bewegt sich und reißt unter den Schlägen der russischen Artillerie.
    16. Dezember – Immer noch hier. Hier kommen die Verwundeten runter. Im Keller ist es Tag und Nacht dunkel. Wir haben auf dem Fußboden ein Feuer gemacht. Um 16 Uhr kam der Essensverteiler: Suppe, 1/8 Brot, etwas Butter, ein wenig Fleischkonserven. Ich habe schon alles aufgegessen und mich hingelegt. Bis zur nächsten Mahlzeit sind es 24 Stunden. Am 15. Dezember habe ich einen Brief per Luftpost abgeschickt, hoffe, dass er bis Weihnachten ankommt. Meine arme liebe Frau und meine Eltern.
    18. Dezember – Der Tag vergeht wie alle vorigen. Am Abend essen wir. Einmal in 24 Stunden erhalten wir Verpflegung, dann gibt es wieder nichts. Ich musste einen Verwundeten schleppen. Nach langer Suche fanden wir einen Arzt, auch im Keller eines völlig zerstörten Hauses. Als ich in meinen Schützengraben zurückkam, sah ich einen Gefallenen. Es war Rill, drei Tage zuvor hatte ich noch mit ihm geredet. Ich sitze mit einem weiteren Soldaten im Schützengraben. Es ist ein 20-jähriger Bursche aus Österreich, er hat Durchfall, er stinkt unerträglich. Pausenloser Beschuss. Die Ohren tun mir weh, und mir ist sehr kalt. 50 Meter von mir entfernt ist die Wolga. Wir sind gleich neben dem Feind. Bin allem gegenüber gleichgültig. Sehe keinen Ausweg aus dieser entsetzlichen Hölle. Die Verwundeten werden nicht weggebracht, sie liegen in den Dörfern innerhalb des Einschließungsrings. Ich kann nur auf ein Wunder Gottes hoffen. Nichts anderes kann hier helfen. Unsere Artillerie ist völlig verstummt, wahrscheinlich ist die Munition alle. Ich bin hungrig und durchgefroren, meine Beine sind wie Eis. Wir reden beide kein Wort – worüber sprechen? Das lichte Weihnachtsfest ist nahe. Was für schöne Erinnerungen sind damit verbunden, die Kindheit …
    Liebe Eltern, ich wünsche euch von ferne frohe Weihnachten. Danke für alles, was ihr für mich getan habt. Verzeiht, wenn ich euch Sorgen gemacht habe. Es war keine böse Absicht. Meine arme Mama, wie wird es dir gehen? Meine liebe Schwester, das Herz ist mir schwer, wenn ich daran denke, wie wir zusammen gespielt haben, ich wünsche dir von ganzem Herzen Glück für dein weiteres Leben. Niemanden
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