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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Carrie Ryan
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Händen über die Einsturzstelle, taste nach losen Brocken und rüttele daran. Scharfe Kanten schneiden mir in die Finger, aber das macht mir nichts mehr aus. Ich muss weiter.
    Es ist eine qualvolle Arbeit, eine schwache Stelle zu finden und dort zu graben, und als ich endlich eine Öffnung schaffen kann, durch die ich den Arm hindurchstecken kann, bricht der Schutt ringsum ein. Hinter mir höre ich die Ungeweihten schlurfen, und ich weiß genau, dass sie bald im Dunkeln um mich herumstolpern werden.
    Zitternd atme ich durch und stemme die Schulter gegen ein großes Stück Beton, das ich von der Stelle bewegen will, rutsche aber auf dem eisglatten Boden aus und falle hin. Frust wütet in mir. Ich will mir nicht die Zeit nehmen, ein Feuer zu machen, aber ich fürchte, das ist meine einzige Chance. Ich rutsche wieder durch denTunnel zurück, taste nach irgendetwasTrockenem, doch alles ist eisverkrustet. Ich presse die Fäuste an die Schläfen und überlege, was ich verbrennen kann.
    Meine Finger berühren die Mütze, die Catcher mir geschenkt hat, und den dazu passenden Schal um meinen Hals. Beides reiße ich herunter und knülle es vor derWand aus Schutt zu einem Ball zusammen. Immer wieder schlage ich darüber auf den Feuerstein. Funken tänzeln, entzünden aber kein Feuer.
    Das Stöhnen wird lauter. Mein Herzklopfen ist so heftig, als würde die ganzeWelt pulsieren. Schnell hacke ich mir mit der Machete ein paar letzte Strähnen von meinem Haar ab, die ich auf den Schal fallen lasse.
    Mit angehaltenem Atem schlage ich den Feuerstein. Funken sprühen, aber immer noch züngelt keine Flamme. Ich schlage noch einmal. Nichts. Beim dritten Mal fällt einer der Funken in das Nest aus Haar, und Feuer lodert auf – die Flamme greift auf den Schal über, und das Feuer ist entzündet. Ich schlucke den Schmerz darüber hinunter, Catchers Geschenk brennen zu sehen, und die schönen bunten Farben lösen sich in Asche und Rauch auf.
    Sobald das kleine Feuer prasselt und Flammen lodern, trete ich einen Schritt zurück, schaue mir den Schutthaufen an und überlege, wie ich ihn auseinanderreißen kann. Ich finde das Stück Beton, das den größtenTeil des Gewichts trägt, und stürze mich drauf, kratze an den Steinen darunter, grabe mir einen Gang durch dieTrümmer.
    Als meine Hand auf Luft stößt, stemme ich mich umso mehr gegen die Betonbrocken und Steine und setze meine gesamte Kraft ein, um die kleine Lücke zu erweitern. Ich brauche nur noch ein bisschen mehr Platz. Ich quetsche und bohre – und dann höre ich, wie jemand meinen Namen ruft.

45
    D as ist jetzt nicht wahr?«, sage ich nur und ziehe mich wieder in denTunnel zurück. Im flackernden Licht der Flammen sehe ich Ox, der etwa sechs Meter von mir entfernt dasteht. Schrecklich sieht er aus, seine Uniform ist blutgetränkt, Bisse überziehen Hände und Arme, die Haut ist blass. »Eigentlich solltest du tot sein.«
    Er lächelt. »Noch nicht. Bald. Und dann werde ich mich natürlich wandeln.«
    Ich kann nicht glauben, dass das hier tatsächlich passiert, und atme tief durch, bevor ich ihn wieder konfrontiere. »Du hättest dich umdrehen und wegrennen können da unten«, sage ich. »Du hättest dich retten können.«
    Er zuckt mit den Schultern. »Ich bin gleich angesteckt worden, nachdem ich aus der Seilbahn gestiegen bin.« Er wankt rüber zurWand, rutscht daran herunter und setzt sich auf die Gleise. Der Schein meines winzigen Feuers erreicht ihn kaum. Er zieht sein Hemd aus und wirft es in die Flammen, die hell aufflackern. Seine Brust ist von Narben bedeckt, einige sind dick und wulstig, andere winzige weiße Punkte.
    Ich mag mir gar nicht vorstellen, woher er sie hat und wie schmerzhaft es für ihn gewesen sein muss. Für diesen Mann will ich kein Mitleid empfinden.
    »Blöd«, murmele ich. »Was für eineVerschwendung. Das war die Mühe nicht wert, weißt du.« Ich trete gegen den Schutt, um noch mehr davon aus demWeg zu räumen.
    Mit großen dunklen Augen schaut er zu mir hoch. »Es gibt Leute, die glauben, dass die Untoten das ewige Leben sind. Eine höhere Daseinsform.«
    »Jaja«, erwidere ich höhnisch. »Die Soulers. Du hast sie eingekerkert, weißt du noch?«
    Er atmet schwer. Er hat eine Menge Blut verloren. Vielleicht hat er nicht mehr lange zu leben, aber das ist schwer zu sagen. Sicherlich wird er so lange durchhalten, wie er nur kann.
    Als mir klar wird, dass er nicht näher kommt, krieche ich wieder auf das Loch zu, an dem ich gearbeitet habe, räume
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