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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Carrie Ryan
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ohrenbetäubend.
    Ich drehe mich um und renne. Schon kommen die Ungeweihten mir nach, füllen dieTunnel wieWasser, das hinter mir immer weiter ansteigt.
    Ich höre nicht auf zu rennen.Wenn jemand verdient hat zu sterben, dann Ox, aber trotzdem, ihn da zu sehen, mit so vielenToten … sie werden ihn längst in Stücke gerissen haben.
    Ich schüttele den Kopf, will diesen Gedanken auslöschen und mich stattdessen auf das konzentrieren, was als Nächstes zu tun ist. Ich kann nicht immer weiter willkürlich durch dieTunnel rennen. Die Ungeweihten werden mich weiter verfolgen, ihre Zahl wächst und wächst wie eine Flutwelle, die mich ertränken wird, sollte ich denVorsprung nicht halten können.
    Wenn ich zufällig in eine Sackgasse gerate oder umkehren muss … dann bin ich in derselben Lage wie Ox. Das Risiko ist einfach zu groß.
    An der nächsten Station ziehe ich mich auf den Bahnsteig hoch und suche die Wände nach irgendeinem Zeichen ab, das mir meinen Standort verrät und in welche Richtung ich gehen soll – und wie ich lebend hier rauskomme.
    Ich habe schon Landkarten hier unten gesehen, damals, als ich nach meinem Museumsbesuch auf Erkundungstouren gegangen bin, und jetzt muss ich unbedingt eine finden. Das Herz hämmert in meiner Brust, Panik quetscht mir die Lungen, während schäbige nackte Wände mich anstarren.
    Endlich sind im schwachen Laternenschein matte Farben unter Schichten von Schmutz und Staub auszumachen. Hektisch reibe ich die Mauer mit dem Handballen, bis eine Karte zumVorschein kommt. Sie ist verblasst, es ist fast unmöglich, die gewundenen Linien undTunnel auseinanderzuhalten. Meine Augen sind überall gleichzeitig, doch dann entdecke ich gestochen scharfe Buchstaben, die konstatieren: SIE SIND HIER – mit einem Pfeil, der auf einen weißen Kreis zeigt.
    Ich lege einen zitternden Finger auf die Stelle, als ob es ein Anker wäre, der mich festhält. Jetzt weiß ich, wo ich bin, nun muss ich nur noch herausfinden, wohin ich gehe.
    Das Stöhnen hinter mir imTunnel wird stärker, treibt mich weiter, aber zuerst muss ich nachdenken.
    Mein Körper zittert vor Kälte und der Anstrengungen desTages. Ich verfolge die Linien, die von dem Punkt ausgehen, an dem ich stehe,Tunnel, die sich wieder zurück unter die Dunkle Stadt winden oder hinaus, an der Insel vorbei, manchmal führen sie in einer Schleife zum Ausgangspunkt zurück oder enden einfach irgendwo.
    Es ist wie ein Labyrinth, und ich verirre mich immer wieder an den Schnittpunkten der Linien und dort, wo sie zu Knoten werden, bevor sie sich wieder entwirren und strecken. Es gibt zu viele Möglichkeiten. Ich weiß einfach nicht, wohin ich gehen soll. Frustriert schlage ich mit der Faust gegen die Wand, dann zwinge ich mich zur Konzentration.
    Ich will nicht allein hier unten sterben . A ls ich in eine Grube voller Stacheldraht gefallen bin, habe ich nicht aufgegeben, und das werde ich auch jetzt nicht tun. Überlebende sind nicht immer die Stärksten, manchmal sind sie die Schlausten, aber meistens haben sie einfach mehr Glück als alle anderen. Ich schließe die Augen, hole tief Luft, verbanne die Panik aus meinem Kopf. Dann schlage ich die Augen wieder auf und verfolge die Linien auf der Karte noch einmal, denn ich weiß, ich habe etwas übersehen.
    Da sehe ich am Rand der Karte ein Bild von einer Achterbahn, und ich muss fast lachen, weil die Lösung so einfach ist. Catcher hat mir von einer Achterbahn erzählt, so habe er das Schiff gefunden.
    Jetzt muss ich nur herausfinden, wo dieser Ort ist.Von der Leichtigkeit der Hoffnung beschwingt reibe ich mehr Dreck weg und lege einen Pfeil frei, der vom Bild mit der Achterbahn auf einen runden Punkt am unteren Rand der Karte zeigt: eine weitere Station.
    Ich verfolge die Linien auf der Karte und präge mir ein, wie dieTunnel miteinander verbunden sind und wie ich ans Ziel komme. Ein weiterWeg. Mein Körper möchte schon beim Gedanken daran zusammenbrechen, eine so große Entfernung zu überwinden, aber es gibt immer noch Hoffnung.Wenigstens renne ich nun nicht ziellos im Kreis herum, bis dieToten mich unter sich begraben.
    Für den winzigsten Moment erlaube ich mir, an Catcher zu denken, der auf mich wartet. Und an das Schiff, dasWasser, meine Schwester und den Himmel. Das sind die Gedanken, die mich wieder an die Bahnsteigkante zurückbringen, die mich auf die Gleise hinunterdrängen und durch dieTunnel stolpern lassen.
    Hinter mir schwillt das Stöhnen an, es wird beinahe zu einer physischen
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