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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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aus der Unterschicht. Die lieben sie geradezu fanatisch. Nur die Leistungsträger, die kommen in deren Vokabular nicht vor.“
    Wagners Magen revoltierte. Er musste dringend eine Toilette aufsuchen. Der Chef hasste es, wenn Mitarbeiter während einer Besprechung den Raum verließen. Er versuchte sein Inneres zu ignorieren. Der Staatssekretär wurde ins Visier genommen. „Und Sie, Haders, was ist Ihre Meinung?“
    Der rutschte ganz nach vorne auf die Stuhlkante. Gleich kippt er um, freute sich Wagner. Schadenfreude gehörte zwar nicht zu seinen hervorstechenden Eigenschaften, aber bei Haders schon.
    „Ich, nun ja …“ Ein unsicheres Zupfen am Kinn. „Ich habe meinen Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen.“
    Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen, gestelztes Geschwafel, Wagner unterdrückte ein Gähnen. Ein prüfender Blick seines Chefs traf ihn. „Sie sehen hundsmiserabel aus. Geht es Ihnen nicht gut?“
    „Kopfschmerzen.“
    „Kopfschmerzen, ein junger Mann wie Sie? Wie alt sind sie doch gleich?“
    Was jetzt kommen würde, war ebenso klar wie unvermeidbar. Der Chef hatte seine helle Freude daran, seine körperliche Fitness, für die er eine Menge tat, dem unsportlichen Regierungssprecher vorzuhalten. Besser, es hinter sich zu bringen, sein Magen meldete sich erneut. „Vierunddreißig.“
    „Mensch, Wagner, ich bin fast dreißig Jahre älter und habe niemals Kopfschmerzen. Sie sollten mehr auf Ihre Gesundheit achten, Sport treiben zum Beispiel. Täte auch Ihrer Figur gut, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf. Ich strampele jeden Morgen zwanzig Minuten auf dem Hometrainer und am Wochenende gehe ich ins Fitness-Studio oder auf den Golfplatz. Das sollten Sie auch tun.“
    Wagner lächelte seinen Frust weg. Auch auf dem Gesicht des Ministerpräsidenten machte sich ein verhaltenes Lächeln breit. Die Sympathie zwischen ihnen war fühlbar. Für einen kurzen Moment war der Mord in den Hintergrund getreten.
    Dann kündigte der Ministerpräsident an, nach dem Beileidsbesuch bei Heises Familie nach Berlin zurückzufahren. „Der Länderfinanzausgleich steht zur Neuverhandlung an. Im Mordfall kann ich ohnehin nichts tun. Jetzt sind Innenminister Krause und seine Leute gefordert. Die Finanzministerin hingegen, die braucht meine männliche Unterstützung. Wenn es ums liebe Geld geht, vergessen meine Herren Kollegen jegliche Manieren. Sie benehmen sich wie hungrige Wölfe, die sich um einen Tierkadaver streiten“, knurrte er.
    Alle Welt rätselte, weshalb der Chef an der gnadenlos überforderten Ministerin für Finanzen festhielt. Wagner wusste die Antwort: blond, schlank, lange Beine, genau der Typ Frau, den der Chef mochte. Über ein Verhältnis zwischen den beiden war lange spekuliert worden. Seit Kurzem hatte die Dame allerdings ein Techtelmechtel mit dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, der der Opposition angehörte. Über das politisch ungleiche Liebespaar kursierten viele Gerüchte in der Landeshauptstadt.
    Der Regierungschef hatte ein weiteres Thema in petto. „Das LKA gibt heute Nachmittag eine Pressekonferenz. Wir selbst geben uns bedeckt. Den Ball flach halten, heißt die Devise. Falls Krause recht behält und ein Terroranschlag vorliegt, ist höchste Wachsamkeit geboten. Die Sache darf sich nicht gegen uns richten, von wegen nachlässige Arbeit des Verfassungsschutzes und so. Keine Kommentare, bevor wir nicht wissen, woher der Wind weht, Wagner.“
    Der fragte sich, ob der Chef von der skandalträchtigen Sache wusste, in die Heise verstrickt war. Vermutlich nicht, beschloss er für sich. Ob er es ansprechen sollte? Ein Zusammenhang zu dem Mord war nicht auszuschließen. Er entschied sich dagegen. Es erschien ihm ratsam, die Sache unter vier Augen zur Sprache zu bringen. Außerdem musste er dringend zur Toilette, wenn nicht ein schreckliches Malheur passieren sollte.
    Der Ministerpräsident war bereits wieder beim politischen Tagesgeschäft angelangt. Als Spitzenpolitiker konnte er es sich nicht leisten, in Trauer zu verharren. Die Politik stand an erster Stelle, selbst wenn einer der engsten Getreuen ermordet worden war.
    „Ich werde übrigens gleich in den nächsten Tagen entscheiden, wer Heises Nachfolger wird. Die Arbeit muss weitergehen. Gerade jetzt, wo so viel für uns auf dem Spiel steht. Wenn es nur der Länderfinanzausgleich wäre, die Finanzkrise treibt mich um. Nicht zu vergessen die unsägliche Schulreform. In meinen Augen überflüssig wie ein Kropf, aber der
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