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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters
Autoren: Laura Joh Rowland
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diesem Kahn herunter sind.«
    »Da bist du nicht der Einzige«, erwiderte Sano.
    Damals, als Kammerherr Yanagisawa ihm diesen Auftrag erteilte, hatte Sano sich vor der Reise nach Nagasaki gefürchtet. Nun aber, nach zwei Monaten auf See und einer Fahrt entlang der Küsten von Honshû, Shikoku und Kyûshû, freute er sich unbändig darauf, wieder den Fuß an Land setzen zu können. Weit hinter der riesigen funkelnden Wasserfläche sah er bereits den Küstenstreifen, an dem ihr Ziel lag, das Sano nach Monaten auf See wie der Himmel auf Erden erschien.
    Die Reise war schrecklich gewesen. Wie alle japanischen Schiffe war auch dieses – auf dessen Segel das Wappen der Tokugawa prangte, das dreifache Blatt der Stockrose – nicht hochseetüchtig, weil der bakufu seinen Untertanen den Bau solcher Schiffe untersagte, um sie daran zu hindern, Japan auf dem Seeweg zu verlassen. Da der schwerfällige Segler nur geringen Tiefgang besaß, kämpfte er mit der kleinsten Welle. Sano und Hirata hatten nervenaufreibende Passagen hinter sich: durch heftige Stürme und Sommergewitter, zwischen Riffen hindurch und über Untiefen hinweg. Sie hatten eine winzige Kajüte mit den Offizieren geteilt, während die gemeinen Matrosen an Deck schliefen. Seit Wochen gab es nichts anderes mehr zu essen als gesalzenen Fisch, eingelegtes Gemüse und muffig schmeckenden Reiskuchen. Überdies war die Reise von einer solchen Eile geprägt, dass es nur einen Grund dafür geben konnte: Kammerherr Yanagisawa hatte dem Kapitän und der Mannschaft befohlen, auch bei Stürmen und Unwettern zu segeln – vermutlich in der Hoffnung, dass Sano bei einem Schiffbruch ums Leben kam. Es war kein Geheimnis, dass es auf der Führungsebene des bakufu Feindseligkeiten gab; deshalb wusste die Besatzung des Seglers, dass der Kammerherr bedenkenlos ihr Leben opfern würde, um seinen Feind Sano zu vernichten. Entsprechend unfreundlich hatten die Seeleute ihn behandelt.
    Am Heck waren Poltern und Krachen zu hören, als die Besatzung das Gepäck aus dem Laderaum des Schiffes an Deck brachte.
    »Ich werde darauf achten, dass die Seemänner Eure Sachen nicht beschädigen.« Hirata eilte über das Deck und rief: »He, seid vorsichtig!«
    Vor der Abreise aus Edo hatte Sano die Hochzeit mit Reiko ein weiteres Mal verschoben, was seine angehenden Schwiegereltern dermaßen in Zorn versetzt hatte, dass die Heirat nun ernsthaft gefährdet war. Außerdem musste Sano seine Polizei-Spezialeinheit zurücklassen; er wusste, dass die Männer wahrscheinlich unter neuer Führung standen, wenn er nach Edo zurückkehrte. Es erfüllte ihn mit Bitterkeit, dass der bakufu ihm seine Bemühungen dankte, indem er ihn praktisch ins Exil schickte. Und Kammerherr Yanagisawa hatte dem Statthalter von Nagasaki mit Sicherheit den Befehl erteilt, den Inspektor aus Edo zu vernichten.
    Doch erst einmal erfüllte die Erleichterung, die lange und gefährliche Reise überstanden zu haben, Sano mit neuer Zuversicht. Als der Segler sich dem Hafen Nagasakis näherte, regte sich Sanos Interesse. Noch nie war er so weit von der Heimat fort gewesen. Welche unbekannten Herausforderungen mochten ihn in diesem Landstrich erwarten, der eine so bewegte Geschichte besaß und so vielen fremden und exotischen Einflüssen ausgesetzt war?
    Das Schiff fuhr nun an der Küstenlinie von Kyûshû entlang in Richtung der Meerenge vor der Hafeneinfahrt; stille Buchten und hohe, baumbewachsene Klippen säumten die Ufer, und an den sanften Hängen der Hügel im Binnenland waren terrassenförmig angelegte Reisfelder zu sehen. Über winzigen Inseln stiegen kreischend Meeresvögel auf. Die bunten Segel von Fischerbooten sprenkelten die stillen Buchten. In der Ferne war Nagasaki zu erblicken; es sah aus, als würden die Gebäude der Stadt wie ein Wasserfall aus Stein die Hügelhänge hinunterstürzen.
    »Seht nur!« Hirata kam vom Heck des Schiffes nach vorn und wies auf ein hell strahlendes Licht auf der Spitze einer Klippe. »Da drüben ist noch so ein Leuchtpunkt. Was ist das?«
    »Das Sonnenlicht. Es spiegelt sich in den Fernrohren der Wachsoldaten«, antwortete Sano. »Die Posten beobachten die ausländischen Schiffe, um bei jedem Anzeichen einer Bedrohung der nationalen Sicherheit Alarm zu schlagen.«
    Nagasaki, einer der großen Umschlagplätze im Überseehandel, war Anlaufstelle für Händler aus aller Herren Länder, von denen einige neben der Hoffnung auf finanziellen Gewinn auch auf militärische Eroberungen aus waren.
    Das
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