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Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage
Autoren: David Abbott
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Florida kam Henry auf den Tod von Colin Bateman zu sprechen. Jack und er saßen im Wagen und fuhren nach Palm Beach zu einem samstäglichen Abendkonzert.
    »Manchmal denke ich, es sollte wohl so sein. In jener Nacht waren Tausende von Menschen auf der Westminster Bridge, aber ich wurde gegen Bateman geschubst. Warum ausgerechnet er?«
    »Keine Ahnung.«
    »Vielleicht war er meine Strafe?«
    »Wofür?«
    Henrys Antwort war nahezu unhörbar.
    »Für meine zahlreichen Verfehlungen.«
    Jack schüttelte den Kopf. »Du warst zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort – das ist alles, Henry. Es gibt keinen großen Zeigefinger, der von dort oben herabdeutet.«
    In einer engen Kurve bremste Jack plötzlich ab. Dahinter lag die Toreinfahrt zu Donald Trumps Anwesen, häufig stauten sich hier die Limousinen und warteten darauf, in die Einfahrt biegen zu können. Nachdem sie dort vorbeigefahren waren, beschleunigte Jack wieder auf fünfzig Stundenkilometer.
    »So was kommt nun mal vor, Henry. Glaubst du vielleicht, Nessa hat ihren Krebs
verdient

    »Nein, Jack, das glaube ich nicht.«
    Henry hatte die Hand ausgestreckt und das Radio eingeschaltet – das Knacken des Einschaltknopfs klang so kurz angebunden wie seine Reaktion. Wie es das Schicksal wollte, sang Tom Waits
Looking for the Heart of Saturday Night
.
    Keiner von ihnen führte diese Unterhaltung jemals fort.

    Die Medien in England hatten sich neuen Themen zugewandt, doch Henry zögerte seine Rückkehr immer wieder hinaus. Tom und Jane hatten ihn gebeten, doch Partner in der Buchhandlung zu werden. Sie wünschten sich ein zweites Kind und sahen sich bereits nach einem Haus um. Die Wohnung über dem Laden war zu klein, und das Geschäft konnte den Platz gut gebrauchen. Sie brauchten Hilfe, und ob er darüber bitte nachdenken würde?
    Henry hatte sich ausweichend geäußert, obwohl er wusste, dass sein Zögern sie verletzte. Wozu hatte er denn das Haus in Norfolk gekauft, wenn er nicht Teil ihres Lebens werden wollte?
    Selbst als Hal ihn anflehte, doch endlich nach Hause zu kommen, blieb er ausweichend.
    »Bald, Hal, nicht mehr lange.«
    Seine Bedenken hielten ihn in Florida zurück. Seine Haare waren nachgewachsen, und er hatte zugenommen; er sah wieder fast so aus wie früher, hatte aber seine Nervenstärke verloren. In Palm Beach kannte ihn niemand; in Norfolk, so fürchtete er, war er nur zu bekannt.
    Das Wetter schlug um, jeden Abend vor dem Schlafengehen lief Henry vom Haus ans Meer und blieb erst stehen, wenn ihm das Wasser bis zur Brust reichte. In dieser Tiefe hatten sie Nessas Asche verstreut, so, wie sie es sich gewünscht hatte. Hier schloss Henry Cage eines Nachtsdie Augen, vielleicht gab es sogar noch Spuren von ihr um ihn herum, und bat um ein Zeichen.
    Dieses Zeichen kam unerwartet am nächsten Tag in Form eines Briefs von Mrs Abraham.

    Sehr geehrter Mr Cage,

    ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich Ihnen schreibe. Ich wollte mich noch einmal recht herzlich für das Geld bedanken, weil ich nicht weiß, ob ich das schon gemacht habe, und das hat mir auf der Seele gelegen. Tom sagte, es wäre in Ordnung, zu schreiben. Beim Umzug hat er mir ein Foto von Hal gezeigt. Er hat große Ähnlichkeit mit Mr Cage, habe ich gesagt, und das stimmt – jedenfalls finde ich das. Ich nehme an, Sie können es gar nicht erwarten, nach Hause zu kommen und ihn zu sehen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Peggy (Mrs Abraham)

    Was hatte sie damals zu ihm in der Küche gesagt?
    »Aber was wollten Sie, Mr Cage? Wollten Sie nicht jede einzelne Minute bei ihr sein, die sie noch hat?«
    Das ungefähr hatte sie doch gesagt, und sie hatte Recht gehabt, ihn zu schelten. Er war in Nessas letzten Minuten nicht bei ihr gewesen. Er war auch nicht in ihren letzten Stunden, Tagen oder Wochen bei ihr gewesen. Er war auf der falschen Seite des Atlantiks gewesen – genau wie jetzt auch.
    Als er anrief, war Jane dran.
    »Wenn das Angebot noch steht, dann möchte ich sehr gern bei der Buchhandlung mitmachen … und bei allem anderen auch.«
    »Ach, Henry, warte, leg nicht auf …«
    Henry hörte sie rufen. Er sah auf die Uhr; es musste gerade die Zeit für Hals abendliches Bad sein – Janes Stimme klang triumphierend.
    »Hal, Tom, er kommt, er kommt!«
    Dann war sie wieder in der Leitung. »Tom trocknet Hal nur schnell ab – du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr sie sich freuen.«
    Als Tom ans Telefon kam, konnte Henry einen aufgeregten Hal im Hintergrund hören. Er lachte, klatschte in
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