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Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage
Autoren: David Abbott
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Nein.«
    »So einfach geht das nicht. Natürlich war ich wütend, aber ich hätte niemals mit dem Schläger ausgeholt, wenn er nicht die Säge erhoben hätte. Ich habe gedacht, er greift mich an. Ich wusste, dass er gewalttätig war.«

45.
    Nach dem Frühstücksansturm und vor dem Mittagsrun trank Jack meist einen Kaffee an einem der Tische draußen. Um diese Uhrzeit war Nessa immer vorbeigekommen; Jack vermisste sie an jedem Tag. Dabei blieb er nie sonderlich lange allein. Seine Stammkunden, die die leeren Plätze am Tisch bemerkten und die aufgeschlagene Zeitung geflissentlich übersahen, setzten sich oft zu ihm.
    »Jack, Gott sei Dank bist du noch da – alle im Hotel sind neu. Niemand kennt mich!«
    Jack blickte beim vertrauten Klang der krächzenden Stimme auf.
    »Du rauchst immer noch, wie ich höre, Joan. Wie geht’s?«
    Er schob ihr einen Stuhl hin. Jeden Sommer kamen Joan und ihr Mann für drei Wochen ins Ritz Carlton, und jeden Tag kamen sie über die Straße zu einem späten Frühstück bei Jack.
    »Wo ist Warren – holt er die Zeitungen?«
    »Der ist in New York, nehme ich an.« Joan hielt kurz inne. »Wir haben uns getrennt.«
    Jack suchte an ihr nach Anzeichen von Verletztheit, doch alles schien wie immer. Sie trug ihr silbernes Haar kurz geschoren, was zu ihr passte. Sie war ein Kobold von Frau, Anfang sechzig und noch immer fit. Die Trennung war wohl von ihr ausgegangen, nahm Jack an.
    »Tut mir leid, das zu hören. Ihr beiden wart schon lange zusammen.«
    »Vierunddreißig Jahre.« Joan schüttelte vor Verwunderung den Kopf. »Wir haben uns letzten Monat getrennt. Wir waren gerade aus der Karibik zurück, da habe ich ihn gebeten auszuziehen. Das Leben geht weiter, hier bin ich, alles wie immer.«
    Arlene brachte Joan Kaffee und ein Räucherlachsbagel.
    »Schön, dich zu sehen.«
    Sie warfen sich Küsse zu, dann ging Arlene, die etwas Ernstes witterte, davon.
    »Und was ist passiert?«, fragte Jack neugierig.
    »Wir haben uns gestritten.« Joan schwieg kurz. »Beim Scrabble.«
    »Beim Scrabble?«
    »Ich weiß, ich weiß – alle lachen darüber. Aber hör mal zu und sag mir, ob ich mich irre. Der Mann hat sie nicht mehr alle, glaub mir.«
    Sie biss in den Bagel; Jack wartete. Joan sprach nicht mit vollem Mund.
    »Bevor Warren spielte, musste er jedes Mal den Beutel ausleeren und alle Spielsteine zählen – jeden einzelnen.Das machte er schon seit Jahren so. Im Hotel hab ich ihn gefragt: ›Warum tust du das? Es treibt mich in den Wahnsinn. Du hast die Steine doch vor drei Stunden erst selbst in den Beutel gepackt – glaubst du vielleicht, im Bel Air gibt es einen Scrabble-Dieb?‹«
    Joan trank einen Schluck Kaffee.
    »Er meinte nur: ›Wenn ich spiele, will ich mit einem vollständigen Satz spielen. Ist das vielleicht ein Verbrechen?‹ Also habe ich es ihm gegeben. ›Ja, du Blödmann, das ist es. Das Verbrechen der Obsession. Das Verbrechen, ein Dreckskerl zu sein.‹ Ich bin stinksauer, aber er zählt einfach weiter und erklärt auch noch: ›Sagen wir mal, ich habe ein Q, und ich weiß, es sind vier Us im Spiel, drei davon sind aber schon draußen, dann weiß ich, dass noch ein U im Beutel ist, also halte ich das Q fest und hoffe darauf, das letzte U zu ziehen. Wenn das blöde U aber auf dem Teppich liegt, dann treffe ich eine falsche Entscheidung, verstehst du?‹«
    Jack musste lachen; Joan grinste.
    »Sag besser nichts.«
    »Es ist also vorbei?«
    »Er kommt am Wochenende runter. Er will mit mir reden.«
    »Bring ihn zum Frühstück mit. Der Gedanke, ihr könntet euch trennen, gefällt mir nicht.«
    Joan legte ihm eine Hand auf den Arm.
    »Genug über mich. Wie geht’s dir? Was macht Nessa, meine Freundin?«
    Jack wollte es ihr gerade erzählen, da klingelte seinHandy. Er entschuldigte sich und war froh, diesen Moment noch ein wenig hinausschieben zu können.
    Er nahm den Anruf entgegen, während er sich von den Tischen entfernte und auf den Parkplatz rausging. Er wirkte erschüttert, als er zum Tisch zurückkam.
    »Ein Freund von mir in London ist wegen Mordes verhaftet worden. Irgendein Kerl hat ihn mit einer Säge angegriffen, und er hat sich nur verteidigt. Himmel, das ergibt alles keinen Sinn.«
    »Das ist ja furchtbar«, meinte Joan, dachte aber nicht an Jacks Freund, sondern an Warren, der allein in New York war und vielleicht in Schwierigkeiten steckte.

46.
    Henrys Verhaftung kam für Walter nicht überraschend, aber er war ziemlich zuversichtlich, dass man die Anklage fallen
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