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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin
Autoren: Tanja Kinkel
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Plan, um dich an meine Stelle zu setzen? Oder, wenn du bescheiden anfangen willst, vorerst meinen Bruder?«
    Als sie stumm blieb, nahm er ihre Hände und zog sie zu sich empor.
    »Ich habe lange genug darauf gewartet, Larentia. Das hier ist das Finale. Sag es mir. Oder bringst du es nicht mehr fertig? Dann habe ich ebenfalls gewonnen, das weißt du.«
    Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und murmelte: »Du wirst nie König von Alba sein, Romulus. Keiner der Priester dieser Stadt wird mit dir vor die Götter treten, weil du verflucht bist, doch sie werden dich auch nicht anklagen können, denn was du getan hast, war der schwerste Frevel, und war doch keiner.«

»Ich weiß«, flüsterte er in ihr Haar hinein. »Ich habe es mir längst zusammengereimt. Das war die Art, wie du zu den Kindern eines Gottes gekommen bist. Die heilige Ehe. Er war der Gott, und du warst die Göttin. Und so habe ich heute meinen Vater getötet, und auch wieder nicht.«
    Ihre Arme schlangen sich um seinen Hals, und er ließ zu, daß der Schrecken ihn noch einmal erfaßte. Früher, es mußte zu einer Zeit gewesen sein, als er noch glücklich war, war Faustulus sein Vater gewesen, bis sie diese Gewißheit zerstört hatte. Dann hatte er sich der Kraft überantwortet, die sie für seine Erzeugung gewählt hatte, Krieg und Zerstörung. Es gab kein Zurück mehr, und ganz gewiß nicht für Amulius, der genauso unerbittlich im Benutzen der Menschen gewesen war wie sie. Und doch fraß seine heutige Tat an ihm, und sie war das einzige Wesen auf der Welt, das verstand und ihn nicht verurteilen konnte. Seine Mitschuldige, der Altar, auf dem er dieses Opfer gebracht hatte. Ich, hörte er den Mann wieder sagen, ich bin mit jeder Art von Opfern vertraut, die man den Göttern bringt.
    Aber nun war der Moment gekommen, zurückzuschlagen. »Larentia«, sagte er lauter und legte seine Hand unter ihr Kinn, um ihren Kopf zurückzubiegen, so daß sie ihn wieder anschauen mußte. »Ich wußte es. Verstehst du? Ich war darauf vorbereitet. Und du hast recht, keiner der Priester wird mich zum König machen. Nur ist König von Alba zu sein gar nicht das, was ich wirklich wollte.«
    Noch rührte sich nichts in ihrer Miene, und er fuhr fort: »Du hast mir einmal die Aufgabe gestellt, herauszufinden, wo das Mittel zu deiner Vernichtung ruht. Nur du kannst mir verraten, ob ich es gefunden habe. Dies sind meine drei Geschenke, Larentia. Du, mein Bruder und ich sind nicht die einzigen noch lebenden Sprößlinge des königlichen Hauses von Alba. Da gibt es noch einen König, der sogar von allen Priestern dieser Stadt bereits einmal anerkannt wurde. Zugegeben, das ist lange her, und inzwischen ist er verkrüppelt, halb taub und beinahe alt genug, daß ihr Tusci befürchten müßt, die Götter sprächen nicht mehr mit ihm, aber eben nur beinahe. Er hat noch ein paar Jahre bis dahin vor sich. Ganz recht, Ilian, es handelt sich um deinen Vater Numitor. So, wie du uneigennützig für mich und meinen Bruder gekämpft hast, habe ich heute uneigennützig für meinen Großvater gekämpft. Er wird gerade samt der Gesandtschaft aus Tarchna am Stadttor von den Hohepriestern empfangen. Ich bin sicher, es ist ein rührendes Wiedersehen.«
    So selbstbeherrscht sie auch war, er konnte ihn spüren, in seinen Händen, an seinem Körper: den Augenblick, in dem die Kälte der Erkenntnis sie überzog.
    »Er kam mir wie ein sehr starrsinniger alter Mann vor, mein Großvater. Ich glaube nicht, daß er dir jemals vergeben hat, daß du ihn nicht gegen die Priesterschaft unterstützt hast, als es um die Frage seines Opfers ging. Ganz gewiß hat er dir nicht verziehen, daß du dabei geholfen hast, seinen Bruder zum König zu machen. So kam es mir jedenfalls vor, als ich ihm davon erzählte. Ich glaube nicht, daß er dich zur Regentin ernennen wird oder meinen Bruder. Eine Frage der Abstammung, könnte man sagen. Ich glaube, er wird einen der jüngeren Söhne des Königs von Tarchna adoptieren, der ihn in den letzten Jahren so gastfreundlich aufgenommen hat, und in der Zwischenzeit einem aus der Priesterschaft gebildeten Rat die Regentschaft anvertrauen. Das war es jedenfalls, was ich ihm und unseren Tempelfreunden vorgeschlagen habe, und ich muß sagen, da haben sie nicht gezögert.«
    Sie war für ihn immer schön gewesen, aber niemals schöner als jetzt, da die Niederlage mit all ihrem Zorn und ihrer Bitterkeit sich in ihre Augen schrieb. Er zeichnete mit den Fingerspitzen seiner anderen Hand die
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