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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
Autoren: Jean Johnson
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Gemüter abgekühlt sein. Er würde noch eine Weile vorgeben, nach dem richtigen Zauberspruch zu suchen und dann die Zutaten für den Trank zusammenstellen …und wenn er den Brauprozess noch etwas hinauszögerte, konnte er vielleicht eine Viertelstunde herausschlagen. In dieser Zeit würde die enge körperliche Nähe zwischen Saber und der Fremden mit Sicherheit erste Wirkung zeigen. Er musste nur darauf achten, dass sein erzürnter Bruder sein heimliches Lächeln nicht bemerkte. Aber er war ja schließlich kein Narr.

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    S ie war erschöpft, ihr ganzer Körper schmerzte, und sie wurde unerträglich eng gegen die Brust dieses hünenhaften Fremden gepresst. In den Armen eines Verrückten, dem Haus eines Verrückten und einer verrückt gewordenen Welt gefangen gab Kelly Doyle schließlich ihren Widerstand auf. Keiner der beiden Männer schien Englisch zu sprechen, und sie konnte sich nicht mehr auf ihr Schulfranzösisch besinnen und somit auch nicht versuchen, sich in dieser Sprache mit ihnen zu verständigen. Allerdings klang es auch nicht so, als würden die beiden Französisch sprechen. Oder Spanisch oder Deutsch oder sonst irgendeine Sprache, die sie hätte erkennen können. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als in den Armen dieses gut aussehenden, muskulösen Fremden stillzuhalten und mit aller Macht die Tränen zurückzudrängen.
    Es fiel ihr unendlich schwer. Manche Menschen hatten schlechte Tage, sie hatte ein ganzes schlechtes Jahrzehnt. Erst waren ihre Eltern vor drei Jahren bei einem von einem betrunkenen Fahrer verursachten Autounfall umgekommen und hatten sie fast mittellos zurückgelassen. Dann war ihr ein verheißungsvoller Job angeboten worden, um dessentwillen sie aus ihrer Heimat fortziehen und ihre restliche Familie und ihre Freunde zurücklassen musste. Und dann hatte ihre neue Firma vor eineinhalb Jahren bankrott gemacht, und alle Angestellten waren entlassen worden.
    So hatte sie sich darauf verlegt, ihre Hobbys zu ihrem Beruf zu machen. Sie konnte nähen, sticken und Spitze klöppeln und fertigte Kissenbezüge, Wandbehänge, Quilts, Flickenpuppen
und Kleider an – in allen Stilrichtungen vom Modernen bis hin zur Mode des Mittelalters. Das Clubhaus der Freunde des Mittelalters war der einzige Ort in ihrer neuen Umgebung und ihrem neuen Leben, wo sie dank gemeinsamer Interessen rasch Freunde fand, obwohl die einheimischen Mitglieder anfangs völlig Fremde für sie waren. Hope, inzwischen ihre beste Freundin, hatte sie im Kreis der Anhänger der Erhaltung alter Sitten und Bräuche sofort herzlich willkommen geheißen.
    Doch ihre Mitgliedschaft in dem Verein der »Freunde des Mittelalters« hatte sie in der winzigen Stadt im Mittelwesten rasch in Verruf gebracht. Man unterstellte ihr, heidnische Rituale zu vollziehen, und bezichtigte sie der Hexerei und aller möglicher anderer gotteslästerlicher Aktivitäten, obwohl sich ihre Gruppe lediglich historischen Studien verschrieben hatte.
    Hasserfüllte anonyme Botschaften wurden auf Kellys Mailbox hinterlassen, Zettel mit unmissverständlichen Drohungen an ihre Tür geklebt. Die sich wie ein Lauffeuer verbreitenden Gerüchte bewirkten, dass ihre einheimische Kundschaft ausblieb und sie auf die wenigen Touristen angewiesen war. Und eines Abends hatte sie ein Mann unsanft gegen eine Wand gestoßen, als sie auf dem Heimweg vom Kino gewesen war. Sie hatte den Angreifer in die Flucht geschlagen und war einmal mehr froh darüber gewesen, dass ihre Eltern sie in ihrer Jugend einen Kung-Fu-Kurs hatten absolvieren lassen. Der maskierte Mann hatte hastig das Weite gesucht.
    Als sie den Vorfall allerdings bei der Polizei anzeigte, erhielt sie zur Antwort, sie habe den Angreifer wohl absichtlich provoziert. Die Beamten, die bezüglich ihrer Person dieselben Vorurteile hegten wie der Rest der Stadt, ignorierten die wachsenden Anfeindungen, denen sie ausgesetzt war, und verweigerten ihr mit der Begründung, sich um »schwerwiegendere« Verbrechen kümmern zu müssen,
jegliche Hilfe – und das in einer Stadt, wo es zu keinen schlimmeren Zwischenfällen kam als zu Schlägereien unter Betrunkenen oder einem gelegentlichen Ladendiebstahl.
    Eine Weile hatte Kelly gehofft, die Schikanen würden aufhören, nachdem sie die Polizei eingeschaltet hatte. Doch schon bald waren neue Hassbotschaften eingetroffen, zusammen mit fotokopierten Seiten alter Bücher, die das Schicksal von Frauen behandelten, die, der Hexerei beschuldigt, in England und den Kolonien
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