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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
Autoren: Jean Johnson
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gehenkt und in Schottland und Frankreich verbrannt worden waren.
    Eines Morgens war sie aus dem Haus gekommen, um die zu einem kleinen Laden umgebauteVeranda mit dem dahinterliegenden Wohn- und Esszimmerbereich zu fegen, und hatte dort eine von der Verandadecke herabbaumelnde Henkerschlinge vorgefunden. Daran war eine Nachricht befestigt, die in aus Zeitungen ausgeschnittenen Buchstaben die »Hexe« aufforderte, unverzüglich die Stadt zu verlassen, sonst … Vor Wut schäumend hatte sie die Nachricht zur Polizei gebracht, wo man nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen und sie darauf hingewiesen hatte, dass weder ihr Name explizit erwähnt noch näher darauf eingegangen wurde, was unter »sonst« zu verstehen war.
    Die Antwort auf diese Frage erhielt sie eine Woche später, als sie von sengenden Schmerzen geweckt in ihrem Bett hochschreckte und sah, dass das Haus ringsherum in Flammen stand. Während sich ihre Lungen mit Rauch füllten, der Schmerz unerträglich wurde, sich auf ihrer Haut Brandblasen bildeten und die immer höher schlagenden Flammen ihr jeden Ausweg aus dem Inferno versperrten, war die Welt plötzlich irgendwie aus den Fugen geraten, hatte sich um sie gedreht … und dann war sie wieder zu sich gekommen und hatte sich hier wiedergefunden. Sie musste ohnmächtig geworden sein, denn Kelly erinnerte sich daran, dass sie vor Schmerz, Schreck und
Angst laut geschrien hatte, bis sie in ein tiefes schwarzes Loch gefallen war und eine barmherzige Zeit lang überhaupt nichts mehr gespürt hatte.
    Irgendetwas, was über ihren Verstand hinausging, musste während ihrer Bewusstlosigkeit geschehen sein. Ihre Kleider waren noch immer versengt, ihre Haut dagegen nicht mehr mit Blasen und Brandwunden übersät, sondern nur noch leicht gerötet. Jetzt befand sie sich in einem Gebäude, bei dem es sich scheinbar um eine Burg handelte, und in den Armen eines Mannes, der Kniehosen und eine ärmellose Tunika trug und sich mit einem ähnlich gekleideten Mann stritt, und das alles in einem Raum, der von glühenden weißen Bällen in eisernen Haltern erleuchtet wurde. Nur sah sie keine Kabel, die den Strom für das durchscheinende weiße Licht lieferten …
    Vielleicht wurden die Kugeln von Batterien gespeist, oder die Stromkabel verliefen durch den Boden direkt in die Füße der eisernen Ständer. Aber die Tür im oberen Stock war geöffnet und geschlossen worden, ohne dass der Mann die Klinke berührt hatte, und irgendeine Feder oder gar eine Fernbedienung hatte sie nicht gesehen. Das war wirklich gespenstisch. Besser, sie dachte nicht genauer darüber nach.
    Kelly biss sich auf die Unterlippe, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Sie mochte ja am ganzen Körper Prellungen haben und im spöttischen Zerrbild einer Umarmung gegen die Brust eines unverständliche Worte brummenden und ausgesprochen unfreundlichen Fremden gedrückt werden, aber sie würde eher in der Hölle schmoren, als … falsche Analogie, mahnte sie sich, als ihre Augen erneut zu brennen begannen. Wenn sie nicht vollkommen verrückt geworden war, hatte sie noch vor kurzem in einer echten Hölle auf Erden geschmort. Buchstäblich. Und dabei alles verloren, was sie besaß – das Haus, für das sie sich bis über beide Ohren verschuldet hatte, und ihren kleinen Laden,
den sie seit einem Jahr mühsam vor der Schließung zu bewahren suchte, obwohl er in ihrer ihr nur allzu feindlich gesonnenen Welt kaum genug abwarf, um die anfallenden Rechnungen zu bezahlen und sie zu ernähren.
    Wenigstens brüllte der Mann, der sie festhielt, sie und den anderen Mann nicht mehr an, und er schlug sie auch nicht mehr. Er tat nichts anderes, als sie an sich zu drücken. Sie konnte nur hoffen, dass dieser plötzliche Mangel an Aufmerksamkeit nicht daher rührte, dass er und sein Kumpan darüber nachdachten, was sie ihr noch Schlimmeres antun konnten als das, was ihr bislang widerfahren war. Sie vergewaltigen zum Beispiel. Kelly verfügte nicht mehr über genug Kraft, um sich gleich gegen zwei Widersacher zur Wehr zu setzen. Sie hatte zum Frühstück nur eine Kartoffel und einen billigen Müsliriegel gegessen, und Lunch und Abendessen konnte sie sich nicht jeden Tag leisten.
    Sie war ein jämmerliches, in einen zerrissenen Pyjama gehülltes Häufchen Elend …
    O nein, versink jetzt bloß nicht in Selbstmitleid , mahnte sie sich, als sich ein feuchter Schleier vor ihre Augen legte. Sie kniff sie rasch zusammen, quetschte dadurch aber eine Träne heraus. Und dann noch
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