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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)
Autoren: Patrick deWitt
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Probleme gegeben.«
    »Das ist Unsinn.«
    »Kein Unsinn.«
    Er goss mir nach, und ich trank und sagte zu Charlie – ebenso wie zu mir selbst: »Wenn er Geld für einen Anführer ausgeben will, soll er. Aber nicht vom Geld der Untergebenen, so was ist klein und mies. Seinetwegen hatte ich die Fleischwunde am Bein, außerdem ist mein Pferd verbrannt.«
    »Mein Pferd ist auch verbrannt. Deshalb hat er uns neue Pferde besorgt.«
    »Es ist trotzdem klein und mies. Und hör auf, mir dauernd nachzugießen, ich bin kein Krüppel.« Ich nahm ihm die Flasche aus der Hand und fragte nach Einzelheiten des neuen Auftrags. Es ging um einen Goldsucher in Kalifornien, Hermann Kermit Warm. Den sollten wir finden und töten. Charlie zog einen Brief aus der Jackentasche. Der Brief war von einem Scout des Kommodore, einem Lackaffen namens Henry Morris, der uns oft vorausritt, um zusätzliche Informationen zu sammeln. »Was den Charakter und die Gepflogenheiten von Warm betrifft, so kann ich nach vielen Tagen der Observation Folgendes berichten: Er ist ein Einzelgänger, frequentiert aber oft die Saloons von San Francisco, wo er seine wissenschaftlichen und mathematischen Bücher liest und selbige am Rand mit allerlei Zeichnungen versieht. Diese Bücher trägt er beständig mit sich (an einem Büchergurt wie ein Schuljunge!) und erntet deswegen nicht selten Hohn und Spott. Außerdem ist er klein von Gestalt, was der ganzen Farce die Krone aufsetzt. Doch ist Vorsicht geboten, denn er duldet es nicht, wegen seiner Größe verlacht zu werden, und ich habe ihn etliche Male in Raufhändeln erlebt. Wiewohl er in diesen gemeinhin unterliegt, darf bezweifelt werden, ob seine Kontrahenten auf eine Wiederbegegnung mit ihm erpicht sind. So schreckt er zum Beispiel nicht davor zurück, seine Gegner zu beißen. Warm ist obendrein vollständig kahl und nennt einen wilden roten Vollbart sein Eigen. Seine Arme sind lang und sehnig, und sein Bauch wölbt sich wie bei einer schwangeren Frau. Er wäscht sich nur selten und schläft, wo er gerade ein Plätzchen findet, gleich ob in Scheunen, Toreingängen oder gar auf der Straße. Sobald er den Mund aufmacht, ist sein Ton schroff und wenig einnehmend. Er trägt einen Colt Baby Dragoon mit sich, die Waffe steckt in seiner Bauchbinde. Er trinkt nicht oft, aber wenn, dann bis zur Besinnungslosigkeit. Seinen Whiskey zahlt er mit reinem Goldstaub aus einem Beutel, den er mit einer Schnur an seiner Person befestigt hat und unter etlichen Schichten Kleidung verwahrt. Seit ich hier bin, hat er die Stadt kein einziges Mal verlassen, und ich weiß nicht, ob er je an seinen Claim zurückzukehren gedenkt. Der Claim befindet sich übrigens zehn Meilen östlich von Sacramento (siehe beiliegende Landkarte). Gestern im Saloon bat er mich um ein Streichholz, wobei er mich höflich und mit Namen ansprach. Mir ist schleierhaft, woher er weiß, wie ich heiße, denn bis jetzt schien ihm nicht aufzufallen, dass ich ihn beschatte. Als ich ihn daraufhin fragte, woher er meinen Namen kenne, wurde er grob, und ich trat den Rückzug an. Auch wenn mir dieser Mann nicht gleichgültiger sein könnte, so gibt es nicht wenige, die seine außergewöhnliche Willensstärke bewundern. Diese Eigenschaft kann ich bestätigen, doch ist meine Wertschätzung damit erschöpft.«
    Außer einer Lagekarte von Warms Claim hatte Morris auch eine Zeichnung des Mannes angefertigt, doch war diese so stümperhaft, dass ich unseren Mann selbst von Angesicht zu Angesicht nicht wiedererkannt hätte. Ich sagte das auch zu Charlie, und Charlie meinte: »Morris wartet auf uns in einem Hotel in San Francisco. Er wird uns Warm zeigen, dann können wir uns an die Arbeit machen. Nach allem, was ich höre, ist es ein Leichtes, jemanden in San Francisco aus dem Weg zu räumen, denn entweder sind die Leute dabei, ihre Stadt niederzubrennen, oder gerade mit dem Wiederaufbau beschäftigt.«
    »Warum erledigt ihn Morris nicht selbst?«
    »Das fragst du immer. Aber ich kann nur immer wieder betonen: Es ist unser Job, nicht seiner.«
    »Es ist dumm. Der Kommodore kürzt mir den Lohn, aber bezahlt gleichzeitig diesen Stümper – nur damit Warm rechtzeitig gewarnt ist.«
    »Morris ist kein Stümper, Bruderherz. Er hat vorher noch nie einen Fehler gemacht und verschweigt uns auch nicht, dass er aufgeflogen ist. Das verrät mehr über Warm als über Morris.«
    »Aber der Mann schläft auf der Straße. Was hindert Morris daran, ihn nachts abzuknallen?«
    »Ihn hindert
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