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Die sieben Häupter

Die sieben Häupter

Titel: Die sieben Häupter
Autoren: Tanja Belinda; Kinkel Richard; Rodik Ruben; Dübell Malachy; Wickenhäuser Mani; Hyde Tessa; Beckmann Horst; Korber Helga; Bosetzky Titus; Glaesener Rebecca; Müller Guido; Gablé Dieckmann
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Angriff der Mongolen abwehren.
    »Die Mauern allein werden Euch nicht vor der Horde des Khans retten«, ließ er den Alten nach dem Rundgang wissen. »Ihr braucht Waffen nötiger als Ingwer, Muskatnuß oder feine Teppiche.«
    Zuletzt, nach einigem Zögern, führte sein Gastgeber ihn zu einem Haus, das ein wenig abseits der prächtigen Wohnpaläste in einem Garten stand. Es war rot angestrichen und besaß ein Dach aus Bambusstauden. Der alte Mann nannte es das «Haus des roten Drachen«.
    »Heute, nach Einbruch der Dunkelheit, feiern wir den ersten Vollmondtag des neuen Jahres«, sagte der Alte fröhlich. »Du wirst miterleben, was der Samen des Drachen vermag!«
    Auf Wunsch des Alten legte er ein Gewand aus blauer Seide an, um den Feiertag zu begehen. Daß dieser offenkundig heidnisch war, störte ihn dabei nicht im geringsten. In diesem Land besaß seine Kirche weder Macht noch Einfluß. Er genoß die lächelnden Gesichter der schwarzhaarigen Mädchen, den Stromdes süßen Weines. Bis ein gewaltiger Donnerschlag den Erdboden erzittern ließ. Die Menge im Saal sprang auf, drängte hinaus auf die Aussichtsterrasse. Er ließ sich mitreißen, obgleich der Schreck ihm in alle Glieder gefahren war und seine Beine ihm den Dienst versagen wollten.
    Ein Grollen und Zischen brandete auf. Es klang ihm in den Ohren, als öffnete sich der Himmel, um den ewigen Streit zwischen Gut und Böse vor seinen Augen auszufechten. Hoch über seinem Haupt leuchteten riesige Sterne auf. Begleitet von weiteren schweren Donnerschlägen, erschienen sie aus dem Nichts der Dunkelheit und verpufften in einem silbernen Regen. Über den Gärten stiegen Rauchsäulen auf. Die Apfelbäume des alten Gutsherrn schienen in Flammen zu stehen, aber keiner lief davon, um sie zu löschen. Die Menschen klatschten begeistert in die Hände und verneigten sich, bis die Ärmel ihrer seidenen Gewänder den Boden berührten.
    Der junge Mann spürte, wie sein Herz schmerzhaft gegen die Rippen hämmerte. Mit geweiteten Pupillen starrte er in die Nacht hinaus. Er zuckte unter jedem Donnerschlag zusammen, doch er rührte sich nicht von der Stelle.
    Und dann verließ der Drache sein Haus mit dem gewölbten Bambusdach. Er sah aus, wie die Priester ihn immer beschrieben hatten: rot wie loderndes Feuer, mit sieben schuppigen Häuptern und zehn Hörnern, welche die Luft zerrissen. Goldene Kronen schwebten in einem zuckenden Schweif über seinen Häuptern, und der Schwanz bewegte sich so schnell, daß er die goldenen und silbernen Sterne hinwegfegte und zur Erde warf.
    Das Ende der Welt war über sie gekommen, und er war der einzige Mann, der in der Lage war, die Bedeutung des Drachens zu begreifen.
    »Nun hast du gesehen, was geschieht, wenn der Drache sein Haus verläßt!« hörte er den Alten zu seiner Linken mit hoher Stimme wispern. Ein gewaltiges Grollen erschütterte den Himmel, und Regen peitschte gegen das Flechtwerk der Bauernkate.
    »Nein«, schrie der Fremde in grenzenloser Panik auf. »Die Saat ist verflucht!« Er saß senkrecht auf dem Strohsack und umklammerte seine Decke, als wäre sie ein lebendiges Raubtier, das bereit war, ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen. Seine glasigen Augen fixierten die winzige Fensterluke, vor der sich die verkrüppelten Äste einer alten Linde im Sturmwind bogen.
    Ethlind war sofort bei ihm. Sie hatte sich nahe dem Herdfeuer ein Lager zurechtgemacht. »Beruhigt Euch doch, Herr, Ihr hattet einen bösen Traum«, flüsterte sie, während sie sich vergeblich bemühte, den jungen Mann wieder in die Kissen zu drücken. »Ihr seid noch zu schwach. Eure Wunde am Bein …«
    »Wer zum Teufel bist du?« fiel er ihr ins Wort. Er starrte sie feindselig an, ließ es sich aber gefallen, daß Ethlind seine verkrampften Finger öffnete und ihm die Decke entwand. Er hatte die Felle auseinandergerissen. Es würde Tage dauern, bis …
    Unwichtig, befand sie. Sie tastete nach dem Tonbecher, den sie kurz vor Mitternacht vorsorglich noch einmal gefüllt hatte, und ließ den Fremden daraus trinken.
    »Ihr seid in einem Dorf, das zum Grundbesitz der Herren von Repgow gehört.« Sie holte tief Luft, ehe sie leise hinzufügte: »Und mich nennt man Ethlind.«
    »Meine Kleidung … mein Beutel …«, stammelte der Mann. »Hast du den Samen des Drachen gefunden, Mädchen?«
    Ethlind verstand nicht sogleich, was er meinte. Der Mann hatte ein zerlumptes Wams getragen, als sie ihn gefunden hatte. Einen Beutel hatte er nicht bei sich gehabt. Als sie ihm dies
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