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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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war
     der Bischof überaus diskret. Leider nannte er keine Namen.
    Ein Lächeln huschte
     über Bens Gesicht, als ich fertig gelesen hatte. »Meinst du,
     einer der Dichter könnte Shakespeare gewesen sein?«
    »Möglich. Aber wer
     waren die anderen? Niemand hat etwas von einer anderen Signatur gehört.«
    »Hat man je danach
     gesucht?«
    Ich lachte. »Wahrscheinlich
     nicht.«
    »Was ist dann das
     Problem?«
    Ich zögerte. »Es
     ist das Datum, das mich stört. Die alte Erklärung war, dass die
     Psalmen 1610 fertig wurden, als Shakespeare 46 Jahre alt war - und 46 ist
     der Schlüssel zu seiner Signatur. Doch der Brief des Bischofs ist auf
     1607 datiert.«
    »Muss es denn ein
     Geburtstagsgeschenk gewesen sein?«
    »Nein. Aber warum dann
     Psalm 46? Wozu die Mühe, wenn es keinen Schlüssel gab?«
    »Vielleicht brauchte er
     keinen Schlüssel, weil er es nur für sich tat -einzig und
     allein, weil es sich in einem Psalm, in dem von Speeren und Schütteln
     die Rede war, anbot.«
    »Vielleicht.« Ich
     runzelte die Stirn. Ein Geburtstagsgeschenk.
    Einer Eingebung folgend
     sprang ich von der Bühne und lief zur Galerie hinüber, wo der
     Schreibtisch mit meinen Aufzeichnungen stand. Mit drei gefalteten Seiten
     kam ich zurück und breitete sie vor Ben aus. Es waren Ausdrucke aus
     dem Internet. Einträge aus dem ›Oxford Dictionary of National
     Biography‹ zu William Stanley Graf von Derby, Mary Sidney Herbert
     Gräfin von Pembroke und Sir Francis Bacon.
    »Die Schimäre«,
     sagte Ben. »Zumindest zum großen Teil.«
    »Das
     Geburtstagsgeschenk«, sagte ich.
    Ben überflog die Einträge,
     dann sah er mich an. »Alle drei wurden 1561 geboren.«
    »Was bedeutet, dass sie
     im Jahr 1607, als der Psalter fertig wurde …«
    Er pfiff durch die Zähne.
     »… alle 46 Jahre alt waren.«
    Eine Weile atmeten wir das
     Schweigen ein - im stillen Herzen von Shakespeares Welt, während das
     Saphirblau des Himmels über uns tiefer wurde und das Theater
     durchdrang. Es war, als schwebten wir in einem winterlichen Traum.
    »Wusstest du, dass
     Derby der letzte Überlebende der Schimäre war?«, fragte
     ich. »Lady Pembroke starb 1621 an den Pocken, wenige Wochen bevor
     Derbys Tochter Kerr heiratete. Bacon starb im Frühjahr 1626 an
     Lungenentzündung nach einem Experiment, ob sich Hühnerfleisch
     mit Schnee konservieren ließ. Derby hat noch die ersten Schüsse
     des englischen Bürgerkriegs erlebt.«
    »Er ist gefallen?«,
     fragte Ben.
    »Nein. Er saß
     oben in Chester, in Decken gehüllt mit seinen geliebten Büchern,
     81-jährig. Im September 1642, nachdem der König aus London
     geflohen war, konnten die Puritaner im Parlament die Theater, die sie so
     hassten, endlich schließen. Am 2. September fielen die Vorhänge
     mit einem großen Knall - und blieben zwanzig Jahre lang unten
     …«
    »Die Puritaner
     verstanden keinen Spaß. Ich bin ganz froh, dass die meisten am Ende
     nach Westen segelten.«
    »Vielen Dank«,
     sagte ich sarkastisch. »Derby starb fast auf den Tag genau vier
     Wochen später, am 29. September.«
    »Als hätte die
     Schließung der Theater seinen Lebenswillen gebrochen.«
    »Die Versuchung ist groß,
     es so zu interpretieren. Aber so funktioniert Geschichte nicht.
     Chronologie ist kein Argument für Ursache und Wirkung.«
     Geistesabwesend fuhr ich mit dem Finger über den Rand meines Glases.
    »Was wirst du jetzt
     tun?«
    Ich schüttelte den Kopf.
     »Athenaide hat vorgeschlagen, dass Wesley North noch ein Buch
     schreiben soll, diesmal über die Schimäre. Ich habe ihr gesagt,
     ich denke darüber nach.«
    »Sie hat mir davon erzählt.
     Aber warum solltest du das Ganze unter anderem Namen veröffentlichen?«
    »Es wäre dem Thema
     angemessen, findest du nicht?« Er lachte, doch ich schüttelte
     den Kopf. »Das Problem bei der Sache ist, wir haben immer noch nicht
     viel mehr als Vermutungen. Es gibt keine handfesten Beweise.«
    »Das hat andere auch
     nicht bremsen können.«
    »Es hat Ophelia
     gebremst. Danach war sie glücklicher.«
    »Du würdest also
     eher Ophelias Weg nehmen als Delias?«
    Ros’ Lieblingszitat
     ging mir durch den Kopf. Es gibt Gezeiten für der Menschen Treiben
     … »Wie gut hast du Ros gekannt?«, fragte ich.
    »Gut genug, um zu
     wissen, dass sie dich sehr gern hatte.«
    »Sie hat sich immer mit
     den Sonetten identifiziert. Sie war der Dichter.«
    »Natürlich. Und du
     warst der goldene Jüngling.«
    Ich hörte auf zu lachen.
     »Es klingt
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