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Die Seilschaft

Die Seilschaft

Titel: Die Seilschaft
Autoren: Roman Rausch
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Sekunden.
    «Hilde? Niemals. Sie ist mir treu ergeben.»
    «Ich habe den Beweis.»
    «Sie bluffen.»
    «Was verbindet Sie beide?»
    «Das geht Sie nichts an, und außerdem muss ich jetzt Schluss machen. Die Show beginnt.»
    Der Applaus im Hintergrund war verebbt. Die Stimme des Ministerpräsidenten erklang über die Lautsprecher.
    «Bist du noch dran?», hörte Kilian Schneider.
    «Ja, aber was geht da bei euch vor?»
    «Die Rede hat begonnen. Nichts weiter.»
    Aber irgendetwas musste vor sich gehen. Nicht umsonst hatte Ute Mayer sich so siegesgewiss gegeben.
    «Bleib an ihr dran», bat Kilian, «und ruf mich sofort an, wenn etwas Ungewöhnliches passiert.»
    Schneider versprach es, und Kilian konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht sah.
    Was passierte soeben im Saalbau in Schweinfurt, und wieso sollte das Dossier nichts damit zu tun haben?
    Ein ums andere Mal ging er in Gedanken den Eintrag in Ute Mayers Terminkalender durch. Die kryptische Notiz schien gelöst, alle Beteiligten waren enttarnt.
    Bis auf   V.
    V wie Bruder Vinzenz.
    Er eilte zum Kardinal-Döpfner-Platz.
    Die Wohnung lag im zweiten Stock. Über die Gegensprechanlage sagte er seinen Namen und wurde eingelassen.
    «Es freut mich, dass Sie meiner Bitte gefolgt sind», begrüßte ihn ein Mann, der so gar nicht nach einem Priester aussehen wollte. Er hatte sich des sonst üblichen schwarzen Anzugs entledigt und trug stattdessen bequeme Hauskleidung. Kilian schätzte ihn auf sechzig Jahre, bemerkte das gepflegte Äußere und die unerwartet zarten Hände eines Priesters, die nie schwere körperliche Arbeit gesehen haben.
    «Bitte treten Sie näher.»
    Er führte Kilian durch einen Korridor in einen großen Raum, der eine Überraschung bereithielt. Was auch immer Kilian von der Wohnung eines Priesters erwartet hatte, dieser feingearbeitete, verschnörkelte und zweifellos echt wirkende Beichtstuhl übertraf seine Vorstellung von häuslicher Einrichtung. Es schien, als schmiegte sich der Raum um dieses gute Stück, und wie Kilian erfahren sollte, war das genau der Zweck.
    «Es mag Sie überraschen», begann Bruder Vinzenz und bot Kilian einen Platz am Schreibtisch an, der von Bücherregalen flankiert wurde, «dass ich Sie hier empfange.»
    «Ich gebe zu, so etwas habe ich noch nie gesehen. Was ist das?»
    «Ein Beichtstuhl aus dem vierzehnten Jahrhundert. Eine wahre Rarität, um nicht zu sagen, von unschätzbarem Wert. Ich habe ihn zufällig in Spanien gefunden. Er lag auf einer Müllhalde.»
    «Kann man ihn noch betreten?»
    «Sicher, deswegen steht er auch hier.»
    «Heißt das, Sie nehmen hier die Beichte ab?»
    Bruder Vinzenz nickte. «Ja, das ist sozusagen mein Arbeitsplatz. Ich bin der Beichtvater von einigen nicht ganz unbedeutenden Menschen, die sich ungern in der Öffentlichkeit in einem Beichtstuhl sehen lassen wollen.»
    «Ich verstehe. Die Bußwilligen kommen also zu Ihnen nach Hause.»
    «Ein Teil davon. Den anderen bereise ich, je nach Wunsch und Gelegenheit.»
    «Zum Beispiel?»
    Bruder Vinzenz lächelte verhalten.
    «Das fällt unter das Beichtgeheimnis.»
    Das zarte Lächeln erstarb im selben Moment wieder und wechselte in Betroffenheit.
    «Das ist aber auch der Grund, wieso ich Sie um dieses Gespräch gebeten habe.»
    «Ich bin ganz Ohr.»
    Was würde ihm dieser geheimnisvolle Beichtvater anvertrauen?
    «Ich befinde mich in einer prekären Situation», begann Bruder Vinzenz, «aus der ich keinen Ausweg mehr weiß.»
    Kilian wurde unruhig. In Schweinfurt bahnte sich eine Tragödie an, und er sollte nun der Beichtvater eines Beichtvaters sein. Eine skurrile Situation.
    «Wie kann ich behilflich sein?»
    «Verhaften Sie mich.»
    «Wie bitte?»
    Kilian glaubte sich verhört zu haben.
    «Ich trage Schuld am Tod eines Menschen, und ich kann nicht länger damit leben.»
    «Wer soll durch Ihr Verschulden gestorben sein?»
    «Ein Kind. Ich kenne seinen Namen nicht. Es passierte vor einigen Jahren, als ich von einer Beichte nach Hause fuhr. Ich hatte getrunken und war aufgewühlt. An einer Kreuzung ist es dann passiert. Ich sah es nicht kommen, hörte nur den Schlag gegen den Kotflügel. Im Rückspiegel sah ich das Kind auf der Straße liegen.»
    «War es tot?»
    «Ich nehme es an.»
    «Sie sind also nicht zu ihm gegangen?»
    Bruder Vinzenz vergrub sein Gesicht in den Händen. Er schüttelte den Kopf.
    «Nein.»
    Kilian seufzte.
    «Wieso erzählen Sie mir das?»
    «Zum einen kann ich nicht länger mit der
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