Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine
Autoren: Kate Furnivall
Vom Netzwerk:
sie mich, es herauszufinden.«
    Wut, bleischwer und gewaltig, drückte auf seine Eingeweide wie ein Mühlstein.
    »Und als Gegenleistung?«, wollte er wissen. »Was haben sie dir angeboten?«
    »Ich habe um dich gebeten.«
    »Um mich?«
    »Ja. Ich habe darum gebeten, dass man dich aus dem Bürgerkrieg in China heraushält, weit weg von der Armee der Kuomintang.« Sie schluckte, und er dachte, gleich würde sie den Kopf wenden, doch sie tat es nicht. »Ich wollte, dass du in Sicherheit bist. Ich hatte keine Ahnung, dass sie dich hierher nach Moskau schicken würden, das schwöre ich dir. Das war für mich eine Überraschung.« Sie nestelte an den Knöpfen ihrer Bluse. »Eine willkommene Überraschung. Und für mich war es ein Beweis, dass sie sich an ihre Seite der Vereinbarung hielten.«
    Er ging leise durch das Zimmer, bis er direkt hinter ihr stand, und hörte, wie sie mitten im Atemzug die Luft anhielt. »Das war also auch der Grund, warum du an jenem Tag ins Gefängnis gingst, um den Brief zu holen? Den von Jens, in dem es um die Konstruktion des Luftschiffs ging? Damit du ihn Li Min geben konntest?«
    Sie zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen, kehrte ihm aber nach wie vor den Rücken zu. Sie nickte.
    »Lydia.«
    »Ich weiß, dass du wütend bist. Dass du das Gefühl hast, ich hätte dich verraten und hinter deinem Rücken ein schmutziges Geschäft gemacht. Aber der Gedanke, dein Leben an eine Kugel der Kuomintang zu verlieren, war … zu viel. Ich konnte ihn nicht ertragen. Und jetzt haben deine chinesischen Freunde, was sie wollten, sie gehen fort und nehmen dich mit.«
    Sie lehnte sich nach hinten, bis ihr Kopf seine Wange berührte, und allein diese schlichte, intime Geste war genug, um seine Entschlossenheit, sie aufzugeben, null und nichtig zu machen. Die Ungeheuerlichkeit dessen, was sie für ihn getan hatte, raubte ihm den Atem. Dass sie ihr eigenes Leben dafür in die Waagschale geworfen hatte, und das ihres Vaters – nur um ihn zu retten. Er umschlang mit den Armen vorsichtig ihre verwundete Taille und zog sie an sich, wobei er an sich halten musste, sie nicht zu fest zu drücken.
    »Du hast Recht, Lydia, ich bin wütend, aber nicht auf dich, mein Liebes. Auf sie.« Er roch das Blut an ihr, und sein Herz wollte weinen. »Mir hätte bewusst sein sollen, dass es nicht deine Vergangenheit war, die du schützen wolltest.«
    »Nein«, flüsterte sie. »Es war unsere Zukunft. Deine und meine. Aber Chang, wir werden beide durch unsere Vergangenheit geformt.«
    Abermals brachte ein lautes Poltern die Tür zum Erschüttern, und Biao rief, sie sollten sich beeilen.
    Chang sprach drängend auf sie ein. »Lydia, du musst dich jetzt entscheiden. Wenn es Amerika ist, wohin wir wollen, dann können wir …«
    Sie fuhr zu ihm herum. Ihre Augen waren riesig und aufmerksam auf ihn gerichtet. »Nein, nicht Amerika.«
    »Mein Herz kann nicht schlagen, wenn du nicht an meiner Seite bist.«
    »Hat dir Alexej das gesagt? Dass du mich aufgeben sollst?«
    »Er sagte, mit mir würdest du immer eine Außenseiterin sein.«
    Sie lachte, und auf einmal hatte es den Anschein, als komme Leben in das Zimmer. Mitten in all der Angst und der Gefahr lachte sie, warf schwungvoll den Kopf mit den raspelkurzen Haaren in den Nacken, und das Geräusch ihres Lachens schien etwas in ihm, das er zerbrochen geglaubt hatte, zu heilen. » O Chang An Lo, ich bin mein ganzes Leben lang ein Außenseiter gewesen. Ich habe immer dagegen angekämpft, weil ich so gerne dazugehören wollte, aber jetzt nicht mehr. Nur die Tatsache, dass ich eine Außenseiterin war, hat mich zu dir gebracht.«
    Er nahm ihr Gesicht in die Hände. »Dein Bruder glaubt, du musst hier in Russland bleiben, und wenn ich dich hier so sehe, dann weiß ich, dass dieses Land ein Teil deiner Seele ist.«
    »Vergiss, was Alexej sagt. Er ist nicht mein Bruder.«
    »Wie bitte?«
    »Jens hat es mir gesagt. Er sagte, Alexej sei nicht sein Sohn. Dass meine Mutter sich getäuscht hat und selbst Alexejs Mutter in dieser Beziehung log.« Kummer huschte im Kerzenlicht über ihr Gesicht wie der Schatten eines nächtlichen Geistes.
    » O meine Lydia, dann hast du in jener Feuersbrunst nicht nur deinen Vater, sondern auch deinen Bruder verloren.«
    Sie lächelte ihn an, kaum mehr als ein zartes Zucken ihrer Mundwinkel. »Deine Götter haben einen hohen Preis angesetzt«, sagte sie. »Und jetzt nehmen sie mir dich noch einmal weg.«
    »Komm mit mir.«
    Sie riss die Augen auf. »Nach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher