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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut
Autoren: Alexander Kent
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denken.
Hyperion
steckte die Nase weg und ging langsam unter. Sie konnten nicht einmal mehr ankern, denn die See war hier bodenlos tief. Und wie hätten sie ihre Position markieren sollen?
    Männer arbeiteten geschäftig um ihn herum, aber wie bei seiner Flaggenhissung erkannte er ihre Gesichter nicht. Er tastete nach dem Fächer in seiner Tasche. Wenigstens sie war noch bei ihm.
    Dann erblickte er Rimer, den durchtriebenen Meistersgehilfen, der ihn beim Handstreich auf das Schatzschiff begleitet hatte. Mit glasigen Augen lehnte er unbeweglich an einem Poller, so wie ihn die Kugel getroffen hatte. Korporal Loggie lag mit ausgebreiteten Armen über einem toten Seesoldaten, den er in Sicherheit hatte bringen wollen, als auch ihn ein Scharfschütze traf. Die ersten Verwundeten wurden durch eine Ladeluke an Deck gehievt. Einige schrien, als ihre Wunden dabei aufbrachen, doch die meisten stierten nur wie der tote Rimer vor sich hin. Sie hatten nicht erwartet, jemals das Tageslicht wiederzusehen.
    Auch Allday tauchte auf und brachte Ozzard mit. »Er hockte noch im Laderaum, Sir Richard.« Und mit einem gezwungenen Grinsen: »Wußte wohl nicht, daß das Gefecht vorbei war.« Was er nicht erzählte: Er hatte Ozzard auf der Leiter sitzend vorgefunden, Bolithos Degen an die Brust gedrückt und in das schwarze Wasser starrend, das ihm im Widerschein der letzten Laterne langsam entgegenstieg. Ozzard hatte sich nicht retten wollen.
    Bolitho legte dem kleinen Mann die Hand auf die Schulter. »Ich bin sehr froh, dich zu sehen.«
    Ozzard entgegnete wie betäubt: »Aber alle Möbel … Und das Weinschränkchen von Ihrer Ladyschaft …« Er seufzte. »Alles verloren.«
    Keen kam wieder. »Bedaure, wenn ich Sie belästigen muß, Sir Richard, aber …«
    »Ich verstehe, Val. Tun Sie nur weiter Ihre Arbeit, ich kümmere mich um das Schiff.« Keen schluckte seinen Protest herunter, als Bolitho fortfuhr: »Schließlich kenne ich es besser als ihr alle.«
    Da trat Keen zurück und zeigte auf die Festmacheleinen zum Spanier, die sich unter dem Gewicht der sinkenden
Hyperion
bis zum Brechen strafften. »Aber die Zeit wird knapp.«
    »Ich weiß. Fiert die Leinen …« Und wie zu sich selbst: »Ich habe noch nie ein Schiff verloren.«
    Minchin näherte sich mit einem seiner Gehilfen. Beider Kleidung war dunkel von Blut, und jeder trug eine Tasche. Der Arzt sagte: »Bitte um Erlaubnis, das Schiff mit den Verwundeten verlassen zu dürfen, Sir Richard.«
    »Erlaubnis erteilt. Und vielen Dank.«
    Minchin rang seinem verwüsteten Gesicht ein Grinsen ab.
    »Selbst die Ratten haben sich davongemacht.«
    Bolitho wandte sich an Ozzard: »Geh mit den anderen.«
    Ozzard drückte den Degen an sich. »Nein, Sir Richard, ich bleibe noch.«
    Bolitho war einverstanden. »Dann aber hier, an Deck.« Er sah Allday an. »Kommst du mit?«
    Der betrachtete ihn verzweifelt. Mußte Bolitho wirklich dort hinunter? Doch laut erwiderte er: »Habe ich Sie jemals alleingelassen?«
    Sie begaben sich nach achtern und stiegen durch den ersten Niedergang ins untere Batteriedeck. Viele Stückpforten waren noch verriegelt, doch die meisten an Backbord hatte die Detonation aufgedrückt und die Kanonen aus ihren Laschings gerissen. Hier gab es nur wenige Tote, denn Keen hatte das Deck beim Sturm auf den Spanier entvölkert. Aber einige lagen so da, als ob sie des rauchigen Lichts wegen die Vorbeigehenden aus zusammengekniffenen Augen betrachteten. Darunter ein halber Mann, von einer Kugel glatt entzweigerissen, als er mit dem Schwamm zu seinem Geschütz rannte. Überall war Blut. Obwohl die Wände stets vorsorglich rot gestrichen wurden, hob es sich deutlich ab. Leutnant Priddie, zweiter Vorgesetzter im unteren Batteriedeck, lag auf dem Gesicht, sein Rücken war von langen Holzsplittern durchbohrt, welche die Kugeln aus den Planken gefetzt hatten. Seine Faust hielt noch den Degen.
    Über eine weitere Leiter ging es hinunter ins Orlop, wo sich Bolitho unter den niedrigen Balken ducken mußte. Hier brannten noch ein oder zwei Laternen. Die Toten waren aufgereiht und mit Segeltuch bedeckt. Andere lagen noch um den blutigen Tisch herum, so wie sie gestorben waren, während sie warteten.
    Sie hörten beide, daß oben ein schwerer Gegenstand zu Boden fiel und wie lebendig über die zernarbten Planken rollte.
    Allday flüsterte: »Barmherziger!«
    Bolitho sah ihn an. Es mußte eine Zweiunddreißigerkugel sein, die aus ihrem Kranz gesprungen war und nun zielstrebig dem Bug
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