Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
Trümmern der Takelage wie sterbende Fische.
    Jenour keuchte: »Der Erste Leutnant, Sir Richard!« Er versuchte hinzudeuten, aber seine Hand zitterte dermaßen, daß er beinahe fiel.
    Bolitho vergaß seine eigenen Sorgen, als er über die zersplitterte Treppe aufs Batteriedeck hinuntereilte. Die umgekippten Geschütze waren verlassen, die Männer tot oder verwundet um sie herum verstreut. Oder sie krochen blindlings zum nächsten Niedergang, um sich zu verstecken. Parris lag unter einem Achtzehnpfünder. Seine Augen starrten in den Himmel, bis er Bolitho sah.
    Bolitho kniete sich neben ihn. Zu Jenour sagte er: »Schickt nach dem Chirurgen.« Er hielt ihn am Rock fest. »Und, Stephen, gehen – nicht rennen! Denken Sie daran, die Überlebenden setzen all ihr Vertrauen in uns.«
    Parris hob die Hand, um ihn zu berühren. Durch die Zähne stöhnte er: »Gott, war das schlimm.« Er versuchte, die Schultern zu bewegen. »Was ist mit der
San Mateo

    Bolitho schüttelte den Kopf. »Sie ist fort. Es hatte für sie keinen Sinn, den Kampf hiernach fortzusetzen.«
    Parris seufzte tief. »Ein Sieg also.« Dann sah er Bolitho flehend an. »Mein Gesicht – ist es noch heil, Sir?«
    Bolitho beruhigte ihn. »Es hat nicht einen Kratzer.«
    Parris schien etwas beruhigt. »Aber ich habe kein Gefühl in den Beinen.«
    Bolitho musterte das umgefallene Geschütz. Das Rohr war, noch heiß vom Schießen, über Parris gestürzt, doch er fühlte nichts. Auf der anderen Seite waren seine Schuhe zu sehen. Beide Beine mußten zerschmettert sein.
    »Ich bleibe bei Ihnen, bis Hilfe kommt.« Er warf einen Blick über das Trümmerfeld ringsum. Nur der Vormast stand noch, die Vizeadmiralsflagge knatterte lustig über den zerfetzten Segeln.
    Wieder zitterte das Deck. Die Pumpen waren verstummt, wahrscheinlich verstopft oder beschädigt. Er mußte der Wahrheit ins Auge sehen:
Hyperion
lag im Sterben, während er hier wartete. Er schaute zu dem toten Fähnrich Mirrielees hinüber, dessen Körper vom Achterdeck hier herunter geschleudert worden war. Nur sechzehn Jahre alt. Ich war just so alt wie er, dachte Bolitho, als
Hyperions
Kiel zum erstenmal Salzwasser geschmeckt hat.
    Er hörte Stimmen und Getrampel und sah Seeleute vom längsseit liegenden spanischen Zweidecker zurückkommen. Unter ihnen befand sich auch Keen, der einen Arm um Tojohns Schultern gelegt hatte und mit einem verbundenen Bein eilig auf ihn zuhinkte.
    »Ich bin dort drüben ein dutzendmal gestorben, Sir Richard. Ich … Ich dachte, Sie wären der Breitseite zum Opfer gefallen.« Er gewahrte Parris. »Wir sollten ihn wegbringen.«
    Bolitho nahm ihn beim Arm. »Sie wissen Bescheid, Val, nicht wahr?«
    Keen erwiderte: »Ja, ich weiß.
Hyperion
sinkt, und wir können nichts dagegen tun.« Vor Bolithos Kummer wandte er die Augen ab. »Auch wenn wir die Kanonen über Bord werfen und das Schiff leichter machen,
nützt
das nichts mehr. Die Zeit arbeitet gegen uns.«
    Parris stöhnte.
    Bolitho, der bisher noch keinen Blick auf ihre spanische Prise geworfen hatte, fragte: »Ist uns der Spanier sicher?«
    »Ja. Es ist die
Asturias,
achtzig Geschütze. Sie hat im Gefecht viel abbekommen wie die anderen auch, aber sie ist noch ganz nützlich zum Übermitteln von Signalen.«
    Bolitho pochte der Kopf, die Ohren schmerzten ihn noch von der furchtbaren Breitseite. »Signalisiert an
Benbow,
die Prisen zu sichern und dem Feind mit allen noch seetüchtigen Schiffen zu folgen. Die Dons werden sicherlich den nächsten spanischen Hafen anlaufen -«, er starrte auf die blutigen Decks, »- und Freund und Feind sich selbst überlassen.«
    Keen stützte sich fester auf seinen Bootssteurer. »Komm, Tojohns! Wir wollen die Überlebenden mustern.«
    Bolitho wandte sich an Jenour. »Gehen Sie nach unten und übernehmen Sie die Gruppe des Bootsmanns. Schaffen Sie das?«
    Jenour nickte und deutete auf Parris. »Und was wird mit ihm, Sir Richard?«
    »Ich bleibe hier und warte auf den Chirurgen.« Er senkte die Stimme. »Ich fürchte, er wird ihm beide Beine abnehmen müssen.«
    Parris murmelte: »Tut mir leid, Sir Richard …« Keuchend holte er Luft, als ihn eine Welle des Schmerzes durchlief. »Ich hätte früher zu Ihnen kommen sollen, als ich von Ihren Sorgen in London erfuhr. Ich hätte helfen können.«
    Was redete er da? Bolitho beugte sich über ihn und ergriff seine Hand. Aber waren es wirklich nur die wirren Worte eines Sterbenden?
    Parris fuhr etwas kräftiger fort: »Ich hätte es offenbaren müssen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher