Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
ab.«
    Lovering schloß die Augen. »Aber nein, doch nicht mein Arm …«
    Blachford wartete auf einen Gehilfen, der ihm seine Instrumente brachte. Er hatte immer wieder darauf bestehen müssen, daß sie gereinigt wurden. Kein Wunder, wenn die Männer an Wundbrand starben.
    Er beugte sich über den Verwundeten und sagte leise: »Er hat recht. Es ist zu Ihrem eigenen Besten.« Erst zweiundzwanzig Jahre alt, dachte er.
    Der Leutnant drehte sein Gesicht aus dem Lampenlicht und wisperte: »Warum bringt ihr mich dann nicht gleich um? Ich bin doch sowieso erledigt.«
    Weitere Einschläge erschütterten das Schiff, Instrumente fielen zu Boden. Blachford bückte sich danach und sah angeekelt eine Ratte ins Dunkle hasten. Minchin bemerkte seinen Abscheu und biß die Zähne zusammen. Was wußte der schon vom Krieg? Kam aus London hierher und verbreitete hohles, hehres Geschwätz. Aus dem Augenwinkel sah er Blachfords Messer blinken.
    »Hier, Ralph.« Minchin schob Lovering einen Lederknebel zwischen die Zähne, bevor dieser protestieren konnte. »Hinterher gibt’s einen ordentlichen Brandy.«
    Eine Stimme gellte durch den Rauch: »Noch’n Offizier, Sir!«
    Blachford sah Leutnant Quayle an einem der dicken Stützbalken zusammensacken und sein Gesicht mit dem Uniformrock bedecken. Ein Seemann erhob Einspruch: »Der hat ja nicht mal ‘nen Kratzer!«
    Auf dem Tisch kämpfte Leutnant Lovering wie ein Löwe. Wenn der Gehilfe nicht seinen gesunden Arm und Minchin ihn nicht an den Schultern festgehalten, hätten, wäre er aufgesprungen. »Ihr blutigen Bastarde! Ihr feigen …« Seine Stimme brach, er fiel ohnmächtig auf den Tisch zurück.
    Blachford schaute wieder Quayle an, der die Hände rang und wie ein Kind wimmerte. »Nennt es, wie ihr wollt, aber er ist ebenso ein Verwundeter wie alle anderen.«
    Minchin nahm den Lederknebel aus Loverings Mund. Brutalität und Gefühlsrohheit waren die Merkmale seines Berufs. Er hielt Lovering fest und wartete auf die Amputation. Wenn Ralph Glück hatte, versank er in tiefe Bewußtlosigkeit, bevor die Säge zum ersten Schnitt ansetzte.
    Minchin konnte das, was Blachford und viele seinesgleichen über die Chirurgen der Navy dachten, leichthin abtun.
    Er konnte sogar Loverings Höllenqualen ignorieren, und dabei hatte er den jungen Leutnant immer gern gehabt. Statt dessen konzentrierte er sich auf seine Tochter in Dover, von der er schon seit zwei Jahren getrennt war.
    »Der nächste!« Die Operation war schon vorbei. Lovering wurde weggetragen, und der amputierte Arm fiel in den Behälter, in den ›Wing-and-Limb‹-Kübel, was soviel wie Gänseklein bedeutete. So sagten jedenfalls die meisten – bis sie selber dran waren. Blachford wartete auf einen Seemann, dessen Fuß unter einer Lafette zerquetscht worden war, und betrachtete seine eigenen Arme. Wie Minchins und die der anderen waren sie blutrot bis zum Ellenbogen. Kein Wunder, daß sie uns Schlächter nennen, dachte er.
    Der Mann fing an zu schreien und zu betteln, trank aber gierig einen Becher Rum, wie ihn auch Minchin geleert hatte, ehe er den zerstörten Fuß bloßlegte. Der Schiffsrumpf erbebte abermals, und doch schien sich die eigentliche Schlacht etwas entfernt zu haben. Von überall her donnerten Kanonen, gelegentliche Schreie schwebten wie verlorene Geister durch die oberen Decks herunter.
    Hyperion
mochte geentert worden sein, dachte Blachford, oder der Feind hatte sich zurückgezogen und sammelte sich zum erneuten Angriff. Abgesehen von dem, was man ihm erzählt hatte und was er in der Gazette las, wußte er wenig über den Seekrieg. Erst seit er in der Flotte umherreiste, dachte er über die Menschen nach, die Siege oder Niederlagen erlebten und Politik in Fleisch und Blut umwandelten.
    »Der nächste!« Es hörte nie auf.
    Ein Seesoldat kam über die Leiter herunter und schrie: »Wir haben den Spanier längsseits erobert, Jungs!« Er verschwand wieder, und Blachford staunte, daß einige Verwundete tatsächlich noch ein schwaches Hurra herausbrachten. Verständlich, daß Bolitho diese Leute liebte.
    Da schaute er auf einen jungen Fähnrich herunter, noch ein Kind.
    Minchin sondierte den Oberkörper, wo die gebrochenen Rippen weiß durch das Blut schimmerten. Blachford sagte leise: »Mein Gott, er ist ja noch so jung.«
    Minchin, der ihn verletzen wollte, entgegnete: »Nun, Mr.
    Springett wird auch nicht älter werden, Sir Piers. Er hat ‘ne Handvoll spanisches Eisen in sich!« Und mit einer ärgerlichen Handbewegung:
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher