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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut
Autoren: Alexander Kent
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einem so ausgedehnten Seegebiet, Sir Richard, tun wir uns schwer, Blockadebrecher oder Piraten zu verfolgen und aufzubringen. Die Franzosen und ihre Verbündeten andererseits …«
    Bolitho zog die Seekarte heran. Dieselbe alte Geschichte. Nicht genug Fregatten, zu viele Linienschiffe weggeschickt, um die Flotten im Kanal und im Mittelmeer zu verstärken. Über eine Stunde lang hatte er jetzt die Berichte durchgesehen, den tage- und wochenlangen Patrouillen zwischen den zahllosen Inseln die mageren Resultate gegenübergestellt. Gelegentlich riskierte ein wagemutiger Kommandant Leib und Leben, erschien mit seinem Schiff auf einem feindlichen Ankerplatz, brachte eine Prise auf oder veranstaltete ein schnelles Bombardement. Das las sich gut, trug aber wenig dazu bei, den überlegenen Feind ernstlich zu lahmen. Bolithos Mund wurde hart. Nur zahlenmäßig überlegen.
    Glassport hielt Bolithos Schweigen für Zustimmung und redete weiter. Er war ein rundlicher, bequemer Herr mit gelichtetem Haupthaar und einem Mondgesicht, das mehr von gutem Leben zeugte als vom Kampf gegen die Elemente oder die Franzosen. Er sollte längst verabschiedet sein, wußte Bolitho, aber er hatte Beziehungen im Stützpunkt, also ließ man ihn hier. Seinem Weinkeller nach zu urteilen, unterhielt er ebenso gute Beziehungen zu den Zahlmeistern.
    Glassport sagte gerade: »Angesichts Ihrer früheren Erfolge, Sir Richard, fühle ich mich geehrt durch Ihren Besuch. Bei Ihrem ersten Hiersein war Amerika wohl ebenfalls gegen uns aktiv? Mit vielen Freibeutern und auch mit der französischen Flotte.«
    »Die Tatsache, daß wir uns mit Amerika nicht länger im Krieg befinden«, entgegnete Bolitho, »verhindert nicht zwangsläufig internationale Einmischung, auch nicht die zunehmenden amerikanischen Nachschublieferungen an den Feind.« Er legte die Karte aus der Hand. »In den nächsten Wochen wünsche ich mit jeder Patrouille Kontakt aufzunehmen. Haben Sie zur Zeit eine Kurierbrigg hier?« Er bemerkte Glassports plötzliches Erstaunen und seine Unsicherheit. Eine ruhige Existenz ging hier wohl zu Ende. »Ich möchte jeden Kommandanten persönlich sprechen. Können Sie das einrichten?«
    »Ah, hm – jawohl, Sir Richard.«
    »Gut.«
    Bolitho ergriff sein Weinglas und beobachtete die Sonnenreflexe im Stiel. Er neigte es ein wenig nach links und wartete, fühlte Yovells Augen auf sich gerichtet. Und Jenours Neugier. Er fügte hinzu: »Man hat mir gesagt, daß sich Seiner Majestät Generalinspekteur noch in Westindien befindet?«
    Glassport murmelte unglücklich: »Mein Flaggleutnant weiß genaueres …«
    Bolitho stutzte, als sich das Bild des Glases zu verwischen begann. War der trübe Schleier diesmal schneller gekommen, oder hatte das ständige Drandenken … »Meine Frage war einfach genug, glaube ich«, fuhr er auf. »Ist er noch hier oder nicht?«
    Zitterte seine Hand? War er hartherzig, verärgert? Keines von beiden. Nur unsicher wie auf der Pier, als er Jenour angefahren hatte. Ruhiger sprach er weiter: »Er ist doch mehrere Monate hier draußen gewesen, glaube ich.«
    »Viscount Somervell befindet sich noch in Antigua«, erwiderte Glassport und setzte defensiv hinzu: »Ich habe Grund anzunehmen, daß er mit dem Vorgefundenen zufrieden ist.«
    Bolitho sagte nichts. Der Generalinspekteur konnte ihm eine zusätzliche Last bei seiner Aufgabe sein. Es schien absurd, jemanden mit so hochtrabend klingendem Titel zu einer Inspektionsreise nach Westindien zu schicken, wenn England, allein im Kampf gegen Frankreich und die Flotten Spaniens stehend, täglich eine Invasion erwartete.
    Bolithos Instruktionen besagten klar, daß er Viscount Somervell ohne Verzögerung zu treffen hätte, auch wenn dies bedeutete, daß er sich sofort zu einer anderen Insel begeben mußte, Jamaika eingeschlossen.
    Doch der Gesuchte befand sich hier. Immerhin etwas.
    Bolitho fühlte sich müde. Er hatte die meisten Offiziere und Beamten des Stützpunkts kennengelernt, zwei Schoner besichtigt, die für die Navy umgebaut wurden, und war bei den Batterien gewesen, wobei Jenour und Glassport Mühe gehabt hatten, mit ihm Schritt zu halten.
    Er lächelte schwach. Dafür büßte er jetzt.
    Glassport wartete, bis er an seinem Wein nippte, und bemerkte dann: »Es gibt einen kleinen Empfang für Sie heute abend, Sir Richard …« Er unterbrach sich, als er in die grauen Augen blickte. »Kaum dem Anlaß angemessen, aber er wurde erst arrangiert, nachdem man Ihr … äh, Flaggschiff gemeldet
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