Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle
Autoren: Stephen R. Lawhead
Vom Netzwerk:
kennenzulernen?«
    Wilhelmina übersetzte die Worte für den Mönch, der daraufhin mit dem Kopf nickte. »Der einzige Zweck des Besuchs«, erwiderte Mina für sie beide.
    »Recht so, lasst uns das angehen.« Kit trat zum äußeren Eingang und in das helle Licht. »Bleibt wachsam und seid zu allen Zeiten bereit, sofort wegzurennen.«
    Kit ging als Erster und sah sich gut um, bevor er durch die Öffnung kletterte. Als Nächstes kam Wilhelmina, gefolgt vom Geistlichen. Dann standen alle drei an der sich neigenden Felswand und schützten ihre Augen vor dem Sonnenlicht, während sie das Bild, das sich vor ihnen ausbreitete, in sich aufnahmen: ein grünes Tal, das von blanken Felswänden aus weißem Kalkstein begrenzt wurde, die sich an jeder Seite erhoben. Bäume und Sträucher standen in vollem Laub, und die Luft war dunstig, warm und voller Insekten.
    »Es war Winter«, betonte Kit und hob seine Hand zu dem verblassenden Grün und reifendem Gold des Frühherbsts. »Erst vor ein paar Tagen war es Winter.«
    »Ein paar Tage für dich «, erinnerte ihn Mina. »Offensichtlich haben wir den Zeitrahmen für einen passenden Sprung nicht korrekt kalibriert bekommen.« Als sie die Enttäuschung in seinem Gesicht bemerkte, fügte sie strahlend hinzu: »Dennoch … Mit etwas Glück sind wir wahrscheinlich nicht zu weit von der richtigen Zeit entfernt.«
    »Ich hoffe, du hast recht«, erwiderte er. »Jedenfalls werden wir es bald herausfinden.« Dann machte er sich auf den Weg zum Talboden hinunter, wobei er auf dem losen Geröll hinabrutschte. Er sah sich noch ein letztes Mal um und hielt Ausschau nach lauernden Raubtieren, bevor er auf den träge dahinströmenden Fluss zuging, der jetzt allerdings zum Ende des Sommers nur ein schlammiges Rinnsal war. Sie marschierten weiter und hielten sich dabei in der Nähe der Schluchtwand auf; sie suchten sich ihren Weg über Felsgestein und waren mal im hellen Sonnenlicht, mal im Schatten.
    Gelegentlich hielt Kit inne, um sich zu orientieren; verschiedene Landschaftsstrukturen und Biegungen im Fluss erkannte er wieder. Die Sonne begann, sich hinter den hoch aufragenden Felswänden zu senken, als sie die Stelle erreichten, die Kit als das Winterquartier des Fluss-Stadt-Clans identifizierte. Bei diesem Anblick schlug sein Herz ein wenig schneller, und er hüpfte den engen Pfad hoch, der zu dem steinigen Sims führte, wo er En-Ul und die anderen zuletzt gesehen hatte.
    Der Sims war nun leer; sämtliche Spuren einer Besiedlung – in jüngerer Zeit oder irgendwann sonst – hatten sich vollständig verflüchtigt. Ein paar trockene Blätter und pulverartiger weißer Staub waren alles, was hier zurückgeblieben war.
    »Sie sind verschwunden«, stellte er fest, seine Stimme klang schwer.
    Bruder Lazarus schaute sich um, dann wandte er sich den anderen zu und sagte in nicht ganz einwandfreiem Deutsch: »Sie kommen im Winter hierher, richtig? Winter wenn sie hier kommen, korrigiert?«
    »Ja«, bestätigte Mina, »sie kommen nur im Winter hierher – das ist korrekt.« Sie drehte sich zu Kit. »Das hast du doch gesagt, oder?«
    Kit nickte. »Dann sind sie vielleicht zu ihrem Flussquartier zurückgekehrt.« Er dachte einen Moment nach. »Das ist Meilen von hier entfernt, und leider wird es bald nicht mehr hell sein. Sosehr ich auch unverzüglich mit ihnen Kontakt aufnehmen möchte – das kann warten. Ich denke, wir sollten mit dem Knochenhaus weitermachen. Das Wichtigste zuerst.«
    »Was auch immer du sagst, Captain«, entgegnete Wilhelmina.
    Nachdem sie zum Talboden zurückgekehrt waren, führte er sie am Fluss entlang zu einem nahe gelegenen Pfad, der an der Felswand hochstieg und dann die Schlucht verließ. »Das ist der Weg heraus«, erklärte Kit. »Das Knochenhaus ist oben in einer höheren Lage, und zwar mitten in dem Wald direkt hinter der Kante des Canyons.«
    Kit trieb die anderen zu einem unbarmherzigen Tempo an, während sie hochkletterten und dann aus der Schlucht marschierten. Auch verschwendete er keine Zeit, als er sie zu dem Ort führte, wo er den jungen Clanmitgliedern geholfen hatte, die Unterkunft zu errichten, die aus den Skelettresten von Tieren bestand. Er hatte keine Probleme, den Ort zu finden; die Erdspalte, wo sie die Knochen gesammelt hatten, war immer noch da – ebenso wie die breite, runde Lichtung im Wald.
    Aber das Knochenhaus war verschwunden, und an seinem Platz befand sich eine riesige Eibe mit einer schuppigen braunen Rinde und kurzen, schwarzgrünen Nadeln. Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher