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Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1
Autoren: Celia Friedman
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überquerte die breite Straße und schlenderte weiter. Gegen Mittag stillte er seinen Hunger mit einem Stück getrockneten Wildfleischs, das er in der Tasche hatte, und als er einen Stand erreichte, der Speisen anbot, kaufte er sich eine Flasche Met, um das Fleisch hinunterzuspülen. Er hätte dem einfachen Imbiss den Geschmack eines königlichen Festmahls verleihen können, aber diesen Luxus gönnte er sich nur selten. Und was seine Kleider anging, so waren sie zwar schwarz, aber mittlerweile so verschwitzt und mit Staub bedeckt, dass niemand darin die Tracht eines Magisters vermutet hätte.
    Er hätte sich natürlich säubern können. Aber er tat es nicht.
    Auf der anderen Seite des weitläufigen Palastgeländes blieb er neben dem hohen Zaun stehen, der den königlichen Besitz gegen Eindringlinge schützte. Hier war es ruhig, denn dahinter schloss sich ein dichter Jagdwald an, der den Blick auf das Leben und Treiben im Palast verstellte. Das kam ihm gelegen. Er rief einen Vogel – ein Habicht mit kräftigen Gliedern und glattem Gefieder erschien. Der Fremde flüsterte ihm seine Anweisungen ins Ohr, gab ihm einen schönen Silberring von seiner Hand und ließ ihn frei. Der Vogel erhob sich über die Bäume und den Fluss und verschwand rasch in Richtung Palast.
    Minuten vergingen.
    Eine halbe Stunde.
    Der Fremde verspeiste den Rest seines Dörrfleischs und bedauerte, nicht mehr Met gekauft zu haben.
    Endlich veränderte sich die Atmosphäre. Er spürte es mehr, als er es sah. Die Luft begann zu flimmern, die Schwingungen griffen über auf seine eigene Seele und entfachten das Feuer, das darin glomm. Als vor ihm die ersten Kräuselwellen erschienen, war er bereit, und als das Wellenfeld für seine Zwecke groß und stabil genug war, trat er hinein – und durchschritt es.
    Plötzlich stand er in einem großen, dämmrigen Raum mit vielen Männern in schwarzen Roben. Anstelle von Fenstern gab es nur schmale Schießscharten, durch die kaum Licht fiel, und die spärliche Helligkeit, die die einzigen zwei Lampen auf dem Sims über einer mannshohen Feuerstelle spendeten, wurde von der gewölbten Decke und den düsteren Steinmauern fast völlig geschluckt.
    Die Magister hatten die Stühle zurückgeschoben und umstanden einen langen Tisch aus dunklem Holz. Magister jeden Alters und jeder Rasse, von unterschiedlichstem Aussehen … und ausschließlich Männer. Was sonst? Frauen hatten aufgrund ihres Wesens in dieser Gesellschaft keinen Platz.
    Der Fremde sah sich um und musterte die Anwesenden der Reihe nach. Wenn er einen erkannte, nickte er ihm kurz zu, aber er kannte nicht viele. Wer an Dantons Hof verkehrte, besuchte kaum jemals die Reiche im Süden, und die Magister aus dem Süden wagten sich nur selten in diese feindlichen Gefilde.
    »Mein Name ist Colivar, ich bin Königlicher Magister von Anchasa im Dienste Seiner Majestät Hasim Farah des Allergnädigsten, Geißel der Tathys, Herrscher über alle Länder südlich des Tränenmeeres.« Verglichen mit den weichen Klängen seines gewohnten Dialekts schrammte ihm die Sprache des Nordens hart über die Zunge, aber er beherrschte sie so weit, dass er sich darin verständigen konnte. Kein Wunder, dass man in den Nordlanden die Dichtkunst weniger verehrte als bei seinem Volk; wie wollte man mit diesen rauen, misstönenden Lauten die Liebe preisen?
    »Sei uns willkommen, Colivar. Du bist etwas zu früh.« Der Sprecher trat als weiser Mann mit schneeweißem Haar auf, was natürlich nicht unbedingt ein Hinweis auf sein wahres Alter sein musste. Sein imposanter langer Bart war ebenfalls strahlend weiß wie das Fell einer liebevoll gepflegten Katze.
    »Mein Gepäck wird zum vereinbarten Zeitpunkt eintreffen.«
    Leises Gemurmel erhob sich, es klang belustigt, aber niemand lachte wirklich. Der Blick des Weisen blieb kalt.
    »Der König könnte solche Scherze als Beleidigung auffassen.«
    Colivar zuckte die Achseln. »Ich habe ihm nicht versprochen, ihn mit einem Aufmarsch zu unterhalten.«
    »Und wir haben dir kein freies Geleit hierher und wieder zurück zugesichert. Also hüte dich, den Herrscher über diese Stadt zu vergrämen.«
    Der Mann mit Namen Colivar lachte. Es war ein offenes, herzliches Lachen, das frei durch den großen Raum schallte und den Staub auf den Fenstersimsen aufwirbelte. »Der König herrscht über diese Stadt? Tatsächlich? Dann habt ihr euren Magistern wohl die Eier abgeschnitten, denn ich kenne keine zweite Stadt, in der die wahren Machthaber so etwas dulden
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