Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1
Autoren: Celia Friedman
Vom Netzwerk:
grün, und all die Klatschmäuler, die so eifrig die Nachricht vom Besuch des Magisters aufgenommen und weiterverbreitet hatten, konnten beim besten Willen keinen Grund für dieses außergewöhnliche Ereignis nennen. Jedenfalls musste man – sogar als Magister! – fast schon lebensmüde sein, um sich, nur unter dem Schutz einer kurzen Waffenruhe in einem seit Ewigkeiten lodernden Konflikt, mitten ins Herz des feindlichen Reiches zu wagen.
    Der Fremde warf einen Blick über die Menge und studierte sie wie ein Förster, der sich mit den Verhaltensweisen fremder Tiere vertraut machen wollte. Ein Schwarm junger Mädchen in der Tracht von Hausdienerinnen zog an ihm vorbei, die blanken Augen musterten ihn neugierig, ja kokett. Er lächelte, worauf das Gekicher noch lauter wurde. Diese … Tiere waren immerhin berechenbar.
    Er nahm eine Frucht von einem Wagen und wollte schon hineinbeißen, doch dann sah er, dass sie angeschlagen war, und legte sie zurück. Seltsamerweise fand die Frau, die sie als nächste aufhob, keinen Schaden daran.
    Beim Schmied hatte der Wind das Feuer fast ausgeblasen, das Zelt war voller Rauch. Als der Fremde vorüberging, drehte sich der Wind, und bald war die Luft wieder klar.
    Ein Huhn, das eben geköpft werden sollte, starb einen Augenblick, bevor die Klinge seinen Hals traf, was ihm sowohl die Todesangst wie auch die Schmerzen ersparte.
    Die grässlich verstimmte Mandoline eines Spielmanns fand ihren Wohlklang wieder.
    Ein kindlicher Taschendieb stolperte und stürzte zu Boden, woraufhin seine Beute, für alle sichtbar, durch den Schmutz rollte.
    Eine Frau, die noch am Morgen, ohne es zu ahnen, den Keim einer tödlichen Geschwulst in ihrer Brust getragen hatte, war davon befreit, als sie am Abend nach Hause zurückkehrte.
    Nach einer Weile gelangte der Fremde zu einem Zelt, das abseits von allen anderen stand. Vom Gestänge hingen viele Glücksbringer, die im Wind wie Äolsharfen klirrten, ein kleines buntes Schild lud die Besucher ein, ins Innere zu kommen, um sich bei einer ›echten Hexe‹ Rat zu holen. Der Fremde zögerte kurz und überlegte, dann duckte er sich und schlüpfte durch die niedrige Klappe. Dichte Weihrauchschwaden durchzogen den kleinen Raum mit den reich bestickten Überwürfen und den vielen Teppichen. Hinter einem niedrigen Tisch saß eine Frau auf seidenen Kissen, die ebenso wie das Tischtuch mit Monden und Sternen geschmückt waren. Billige Effekthascherei. Sie hatte einen Stapel Karten vor sich liegen, eine Kugel aus trübem Kristall und ein Häufchen Runensteine.
    »Soll ich für Euch in die Zukunft schauen?«, fragte sie ihn.
    »Kommt darauf an«, sagte er. »Bist du wirklich eine Hexe oder spielst du nur Theater?«
    Sie lächelte. Sie war noch jung – jedenfalls sah sie so aus – und hatte sich in einen Schneidezahn einen Goldsplitter einsetzen lassen. »Nun, das hängt davon ab, wie viel Ihr mir bezahlt.«
    Er fasste in seine Tasche, zog so nachlässig eine Handvoll Münzen heraus, als kenne er ihren Wert nicht, und warf sie vor ihr auf den Tisch. Das Gold glitzerte im Schein der Lampe und in den Strahlen der Nachmittagssonne, die durch den Zelteingang fielen. Der Frau stockte der Atem, und der Fremde musste unwillkürlich lächeln. Eigentlich sollte eine so vollendete Schauspielerin Wert darauf legen, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen.
    »Ist das genug für einen echten Blick in die Zukunft?«
    Sie schaute zu ihm auf, als suche sie in seinen Zügen nach Verständnis für ihre Lage. An einem anderen Tag hätte er ihr die stumme Bitte vielleicht erfüllt, aber heute war er darauf bedacht, alle Hexenkünste von sich abgleiten zu lassen wie Wasser von ölgetränktem Stoff.
    »Was wollt Ihr wissen, Herr? Und legt Ihr Wert auf ein bestimmtes Medium?«
    Das Zubehör, die Utensilien … waren sie nur Teil der Komödie, oder dienten sie ihr wirklich dazu, ihre Kräfte zu bündeln? Einige der heimischen Hexen glaubten tatsächlich, nur mit solchen Hilfsmitteln auf ihr eigenes Seelenfeuer zugreifen zu können. So viel Unwissenheit versetzte ihn immer wieder in Erstaunen.
    »Du kannst verwenden, was immer du willst. Und meine Frage lautet …« Er schaute durch den Zelteingang hinaus auf den Markt, wo die Leute aufgeregt schwatzend durcheinanderliefen. »Wie wird diese Stadt ihren fremden Gast aufnehmen? Wird man ihn aufrichtig willkommen heißen? Oder hat er eher mit einem unfreundlichen Empfang zu rechnen?«
    Die Hexe hatte nach den Karten gegriffen, wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher