Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft
Autoren: Roger R. Talbot
Vom Netzwerk:
ihr Handy und verewigte den Moment durch eine Aufnahme.
    Victoria schlängelte sich zur Garderobe vor, um einen Moment Ruhe zu finden. Sie wollte sich ein wenig ausruhen, die Anspannung abbauen, dann würde sie die Gäste begrüßen, Autogramme geben, für Fotos und für Interviews zur Verfügung stehen, die Caroline organisiert hatte.
    Aber erst später. Jetzt brauchte sie einen Augenblick für sich, denn all diese, wenn auch aufrichtige Zuneigung, die man ihr entgegenbrachte, erdrückte sie.
    Als sie die Tür öffnete, erhob sich Briana von ihrem Stuhl vor der Spiegelwand, eilte ihr entgegen und umarmte sie stürmisch. Dann küsste sie ihre Freundin auf die Lippen. »Verzeih mir, aber ich konnte nicht widerstehen. Du warst … gewaltig!«
    Â»Hab ich dick ausgesehen?«, scherzte Victoria.
    Â»Aber nein, du Dumme, du warst mehr als großartig. Mir fällt kein anderes Wort ein als GEWALTIG !«
    Victoria ergriff eine ihrer Hände und küsste sie. »Danke«, murmelte sie bewegt.
    Â»Mein Gott, wenn ich nicht schon eine Partnerin hätte und du nicht so verdammt heterosexuell wärst …«, sagte Briana lachend.
    Victoria lächelte, aber sie fühlte sich erschöpft. Einen Monat lang Arbeit, um mitzuhelfen, das Drehbuch von Grund auf neu zu schreiben, dann zwei Monate lang intensive Proben, ohne einen Tag Pause. Die zahllosen Stunden, die sie, auf der Suche nach dem richtigen prosodischen Schlüssel, auf jeden Satz verwendet hatte, zahlten sich nun aus. Sie hatte sich vollkommen verausgabt. War ganz allein. Weit weg von daheim. Ohne den Halt der Familie, den sie immer als selbstverständlich empfunden hatte, der ihr nun jedoch als das kostbarste Gut der Welt erschien. Wie schön, dass Mama und die Onkel zusammen mit Briana am Tag zuvor einfach aufgetaucht waren und ihr eine wunderschöne Überraschung bereitet hatten.
    Aber noch etwas fehlte ihr. Sie hatte geglaubt, Madame Iv würde zumindest an diesem Abend, zur Premiere, kommen. Doch seit sie in den USA war, hatte sie nichts mehr von ihr gehört, nur noch die Verträge aus dem Londoner Büro zugesandt bekommen. Sie hatte mehrfach versucht, Kontakt mit ihr aufzunehmen, vergeblich. Victoria litt sehr darunter, sie fühlte sich im Stich gelassen.
    Als Briana sich von ihr löste, ließ sie den Blick noch einmal über die unzähligen Blumensträuße in ihrer Garderobe schweifen: Iris, Orchideen, weiße, gelbe und vor allem rote Rosen. Irgendjemand hatte ihr sogar einen Strauß Lilien geschenkt, der von einem Goldkettchen zusammengehalten wurde: Kitsch, der jedoch von Herzen kam.
    Â»Hör zu, Briana«, Victoria ergriff die Hände der Freundin, »ich bin wirklich froh, dass du hier bist. Aber ich brauche einen Augenblick für mich allein.«
    Â»Natürlich.« Briana nickte und verbarg ihre Enttäuschung. Sie hatte nicht damit gerechnet, hinausgeworfen zu werden, wenn auch auf freundliche Art. »Lass dir … alle Zeit der Welt. Du hast es dir verdient.«
    Â»Danke.«
    Die Freundin verließ die Garderobe und warf ihr einen letzten Kuss zu. Einen kurzen Moment lang sah Victoria durch die geöffnete Tür eine ganze Traube von Journalisten, die im Durchgang auf sie warteten. Einer schaffte es, ein paar Schnappschüsse zu ergattern.
    Briana versuchte, sie so gut sie konnte in Schach zu halten. »Lasst ihr ein paar Minuten zum Ausruhen, dann wird sie für euch da sein«, bat sie und schloss die Tür hinter sich.
    Mit einem Schlag waren die Geräusche von außen nur noch gedämpft zu hören, als ob sich Victoria in einer Seifenblase befände.
    Sie setzte sich vor den Spiegel, hatte das Gefühl, gleich in Tränen ausbrechen zu müssen. Die Freude, die sie verspürte, war so stark, dass sie glaubte, ihr nicht anders Ausdruck verleihen zu können. Aber nichts geschah, als seien all ihre Empfindungen von der Bühne aufgesaugt worden. Sie fühlte sich ausgelaugt. Genau das war das richtige Wort, um ihren Gemütszustand zu beschreiben.
    Obwohl sie schon so lange in New York war, hatte sie praktisch noch nichts von der Stadt zu Gesicht bekommen, nur die eisige Kälte, die ihr entgegenschlug, wenn sie das Theater verließ und in das Taxi stieg, das sie in die Wohnung fuhr, wo sie alleine ihre Proben für das Stück fortsetzte.
    Sie hatte mit niemandem näher Kontakt geknüpft, außer mit Bill, der ihr wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher