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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
Autoren: Philippa Gregory
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Ehefrau verstieß, um eine unbekannte Favoritin zu heiraten.
    Jane Seymour war in das wunderschöne Haus von Sir Francis Bryan an der Strand gezogen, und es war allgemein bekannt, daß die Barke des Königs jeden Abend bis lange nach Mitternacht an der Treppe zum Fluß vertäut lag, daß es dort Musik, Festessen, Tanz und Maskenspiele gab, während man die Königin im Tower gefangenhielt und mit ihr fünf ehrenwerte Herren, vier von ihnen zum Tode verurteilt.
    Henry Percy, Annes Jugendliebe, saß inmitten der anderen Peers über die Königin zu Gericht, an deren Tisch sie alle Festmähler gefeiert hatten, deren Hand sie alle geküßt hatten. Es muß sehr seltsam für sie gewesen sein, als sie in den Königssaal trat und vor ihnen Platz nahm, das goldene »B« an der |681| Perlenkette um den Hals, die französische Haube wie stets ein wenig nach hinten geschoben, so daß man ihr glänzendes, dunkles Haar sah, das dunkle Kleid sorgfältig so ausgewählt, daß es einen schönen Kontrast zu ihrer milchweißen Haut abgab. Nach dem ständigen Weinen und Beten vor dem kleinen Altar im Tower war sie am Tag ihres Prozesses vollkommen ruhig. Sie war so selbstbewußt und wunderschön wie an dem Tag, als sie aus Frankreich zurückgekehrt war, vor all den Jahren, als meine Familie ihr den Auftrag gab, mir meinen königlichen Liebhaber abspenstig zu machen.
    Ich hätte mit den gemeinen Bürgern in den Saal gehen und mich hinter den städtischen Würdenträgern in die Menge setzen können. Doch William fürchtete, man würde mich entdecken, und ich wußte, daß ich es nicht ertragen könnte, die Lügen mit anzuhören, die man über sie auftischen würde. Auch die Wahrheiten würde ich nur schwer ertragen können. Unsere Hauswirtin ging hin und sah sich das größte Spektakel an, das London je geboten wurde. Sie brachte einen völlig verzerrten Bericht darüber zurück, wann und wo die Königin die Männer des Hofes verführt, ihre Begierde durch Zungenküsse geweckt, ihnen große Geschenke gemacht hatte, so daß sie Nacht für Nacht miteinander wetteiferten. Manchmal kamen die Geschichten der Wahrheit nah, manchmal verirrten sie sich in den wildesten Hirngespinsten, von denen jeder, der den Hof auch nur ein wenig kannte, wissen mußte, daß sie nicht stimmen konnten. Immer jedoch waren sie faszinierend, skandalös, erotisch, schmutzig und finster. Sie spiegelten wider, wie sich die Menschen diese Königin vorstellten, eine Hure, die einen König geheiratet hatte. Und sie verrieten weit mehr über Sekretär Cromwell, diesen niederträchtigen Kerl, als über Anne, George oder mich.
    Man rief keine Zeugen auf, die vorgaben, gesehen zu haben, wie sie einander berührt oder liebkost hatten, auch keine Zeugen, die beschwören konnten, daß Anne dem König eine Krankheit an den Leib gewünscht hatte. Man behauptete, an dem nicht verheilenden Geschwür an seinem Bein sei auch Anne schuld. Anne plädierte auf nicht schuldig und versuchte |682| dann, Peers, die das alles ohnehin schon wußten, zu erklären, daß es vollkommen üblich war, daß eine Königin kleine Geschenke verteilte. Daß es nichts bedeutete, wenn sie erst mit dem einen Mann und dann mit dem anderen tanzte. Daß ihr natürlich viele Dichter Gedichte widmeten. Daß dies selbstverständlich Liebesgedichte waren. Daß der König sich nie auch nur einen Augenblick über die Tradition der höfischen Minne beklagt hatte, die an jedem Hof in ganz Europa gepflegt wurde.
    Am letzten Tag des Prozesses war der Graf von Northumberland, Henry Percy, ihre Jugendliebe aus längst vergangener Zeit, abwesend. Er ließ sich entschuldigen, er sei zu krank, um am Prozeß teilzunehmen. Da wußte ich, daß man gegen sie entscheiden würde. Die Herren, die an Annes Hof gedient hatten, die einst bereitwillig ihre Mütter verkauft hätten, um Annes Gunst zu gewinnen, gaben ihr Urteil ab, vom niedrigsten Peer bis hin zu unserem Onkel. Einer nach dem anderen sagten sie alle: »Schuldig.« Als mein Onkel an der Reihe war, erstickte er beinahe an seinen Tränen und konnte kaum das Wort »schuldig« aussprechen und das Urteil verkünden: Daß sie verbrannt oder auf dem Green enthauptet werden sollte, ganz wie der König es anordnete.
    Die Hauswirtin zog einen Fetzen Stoff aus der Tasche und tupfte sich die Augen trocken. Sie sagte, es scheine ihr nicht sonderlich gerecht, daß die Königin auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, weil sie mit ein paar jungen Herren getanzt hatte.
    »Wie wahr«,
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