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Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)

Titel: Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
Autoren: Patti Callahan Henry
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zum Teil. Zum Teil auch, weil unser Leben so verschieden war, Ellie. Und deine Mutter weigerte sich, mich zu sehen, sie ging mir unter allen Umständen aus dem Weg. Ich glaube, sie hasste mich zu sehr, als dass sie das ertragen hätte.«
    »Machst du Witze? Du hast ihr gesagt, dass du sie nie richtig geliebt hast.« Ich brach ab, stützte mich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab und flüsterte: »Erzähl du zuerst.«
    Schmerz überzog sein Gesicht wie ein Zucken, seine Augen zogen sich zusammen. »Ich habe ihr das gesagt, damit sie mit meinem Bruder ein glückliches Leben führen konnte. Ich habe sie angelogen, damit sie weiterleben und mit meinem Bruder zusammen sein konnte. Ich habe nie aufgehört, sie zu lieben. Keine Sekunde.« Er atmete ein und mit den nächsten Worten wieder aus. »Willst du das wirklich alles hören?«
    »Mehr als du dir vorstellen kannst.«
    »Ich tat alles, um sie davon zu überzeugen, dass ich sie wirklich liebte. Ich flehte sie an, auf mich zu warten. Aber das hat sie nicht getan. Sie hat mit meinem Bruder geschlafen.«
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »Dann kannst du dir vorstellen, dass es mir schwerfiel, an ihr gebrochenes Herz zu glauben, oder?«
    »Das ist wirklich traurig«, sagte ich. »Du hasst sie.«
    »Nein, ich habe sie geliebt. Hör zu, ich weiß, wie schwer es ist zu warten. Das weiß ich. In der Zeit des Wartens kann die Furcht alles zerstören, an das man glaubt. In der Zeit des Wartens verliert man Vertrauen, man bekommt Angst und hat das Gefühl, man müsste irgendwas tun, um den Schmerz zu vertreiben. Wenn sie nur gewartet hätte … aber vielleicht habe ich zu viel von ihr verlangt. So wie sie war, war es zu viel verlangt, auf mich zu warten, bis ich aus dem Ausland zurückkam.«
    »Aber wenn man genug vertraut …«
    Er blickte ins Leere, dann wieder in meine Augen und setzte die Geschichte fort. »Als ich aus Afrika zurück war, kam sie mich besuchen. Ich hatte ihr aus Afrika geschrieben, bis ich ein Telegramm bekam, dass sie meinen Bruder geheiratet hatte und ein Baby auf dem Weg war.Ich hatte alle Hoffnung für uns aufgegeben, und dann saß sie da, die Hände im Schoß gefaltet, Tränen im Gesicht. Sie sagte mir, dass sie mich will. Aber natürlich wusste ich von dem Baby …« Er brach ab und sah mich an. »Von dir. Ich wusste von dir und meinem Bruder.«
    »Ja, ich.« Ich hielt inne. »Du weißt, dass sie nur deine ersten paar Briefe gelesen hat, ja?«
    Er nickte. »Ja, das hat sie mir gesagt. Ich fragte sie, und sie sagte, dass sie am Anfang – als ich gerade abgereist war – nicht an mich geglaubt hatte, und als sie endlich an mich glaubte – war es zu spät. Zu spät.«
    »Zu spät zu glauben. Mein Gott.«
    »Ja«, sagte er. »Wem soll man also das Herz brechen? Seinem Bruder oder der Geliebten? Vor der Entscheidung stand ich.«
    »Unmöglich«, sagte ich.
    »Ich habe mich entschieden, meinen Bruder zu schützen. Und selbst heute weiß ich nicht, ob das richtig oder falsch war. Oder ob es überhaupt richtig und falsch gibt. Ich habe mich einfach entschieden. Und dann gelogen. Sie sollte zu meinem Bruder zurückkehren. Und das hat sie getan.«
    »All diese Entscheidungen«, sagte ich, »die wir treffen, wenn wir innerlich zerbrochen sind.«
    Er sah mich an. »Genau. Dass wir innerlich zerbrochen sind, ist nicht neu, aber wir können entscheiden, wie wir damit umgehen.«
    »Du hast gelogen.«
    »Um sie zu schützen. Um meinen Bruder zu schützen. Ich wollte ihr Herz freigeben, damit sie bei ihm bleiben konnte.«
    »Sie hat ihr ganzes Leben lang versucht, sich selbst die Liebe zu dir auszureden.«
    »Ich glaube nicht, dass das geht«, sagte er. »Ich glaube nicht, dass man sich die Liebe zu jemandem ausreden kann.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich weiß.«
    »Ellie, ich liebe dich und deine Familie, und ich will nie wieder darüber reden, okay? Ich will, dass wir weiterhin so eine gute Beziehung haben wie diesen Sommer … aber ich will nie wieder darüber reden. Okay?«
    »Okay.«
    »Und dein Dad darf es nie erfahren.«
    »Ganz meine Meinung.«
    »Das ist alles lange her.«
    »Für sie war es das nicht. Für sie war es nie lange her – es war immer da.«
    »Warum ist dir das so wichtig? Du wolltest es unbedingt wissen … warum?«
    »Das wusste ich wohl selber nicht genau. Bis jetzt.« Ich nahm seine Hand. »Ich glaube, ich habe an meiner Mutter gesehen, dass ein gebrochenes Herz das ganze Leben bestimmen kann. Und dann ist es nicht mehr nur etwas, was dir widerfahren
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