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Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit

Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit

Titel: Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
Autoren: Anne Bishop
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nach innen, nicht umgekehrt; also bedrohte den Kelch etwas von außerhalb.
    Er erschauderte, als mehr von dem Nebel in den Stiel floss. Es handelte sich um eine Vision, und er konnte nicht das Geringste tun, um eine Vision zu ändern, doch sein ganzes Wesen schrie förmlich danach, etwas zu tun, seine
Kraft um das Gefäß zu legen und es zu umhegen, zu beschützen und sämtliche Gefahren von ihm abzuwenden.
    Obwohl er wusste, dass es nichts an dem ändern würde, was hier und jetzt geschah, streckte er die Hand nach dem Kelch aus.
    Das Gefäß zerbarst, bevor er es berühren konnte, und Kristallsplitter stoben über den behelfsmäßigen Altar.
    Tersa hielt die Überreste des zerstörten Kelches in die Höhe. Ein wenig Nebel wirbelte immer noch am gezackten Grund des Gefäßes. Der Großteil war jedoch im Stiel gefangen.
    Traurig blickte sie ihn an. »Das innere Netz kann zerbrochen werden, ohne den Kelch zu zerschmettern. Der Kelch kann zerschmettert werden, ohne das innere Netz zu zerbrechen. Das innere Netz können sie nicht erreichen, aber den Kelch ...«
    Daemon leckte sich über die Lippen. Es gelang ihm nicht, das Zittern zu unterdrücken, das ihn befallen hatte. »Ich weiß, dass das innere Netz eine andere Bezeichnung für unseren Kern ist, das Selbst, das die Kraft in unserem Innern erschließen kann. Doch ich habe keine Ahnung, wofür der Kelch steht.«
    Ihre Hand zitterte ein wenig. »Tersa ist ein zerschmetterter Kelch.«
    Daemon schloss die Augen. Ein zerschmetterter Kelch. Ein zerschmetterter Geist. Sie sprach vom Wahnsinn.
    »Gib mir deine Hand«, sagte Tersa.
    Zu mitgenommen, um ihre Worte zu hinterfragen, streckte Daemon ihr seine Linke entgegen.
    Tersa griff danach, zog sie zu sich heran und schlitzte sein Handgelenk mit der zerklüfteten Kante des Kelches auf.
    Daemon umschloss das Gelenk mit der anderen Hand und starrte Tersa entgeistert an.
    »Damit du die heutige Nacht niemals vergisst«, erklärte sie mit zitternder Stimme. »Diese Narbe wird dir immer bleiben.«

    Daemon band sich ein Taschentuch um das Handgelenk. »Weshalb ist eine Narbe wichtig?«
    »Ich sagte es dir: Damit du nicht vergisst.« Tersa zerschnitt die Fäden des Verworrenen Netzes mit dem zerborstenen Kelch. Als der letzte durchtrennt war, verschwanden Kelch und Netz. »Ich weiß nicht, ob dies sein wird oder sein kann. Viele Fäden des Netzes waren für meine Augen unsichtbar. Möge die Dunkelheit dir Mut geben, falls du ihn brauchen solltest.«
    »Mut zu was?«
    Tersa wandte sich von ihm ab und ging fort.
    »Tersa!«
    Da sah sie ihn noch einmal an, sprach drei Worte und verschwand.
    Daemons Beine gaben nach und er kauerte nach Luft ringend am Boden, wobei er am ganzen Leib zitterte und eiskalte Angst sein Herz umklammert hielt.
    Was hatte das eine mit dem anderen zu tun? Nichts. Nichts! Er würde da sein als Beschützer, als Schild. Das würde er!
    Aber wo?
    Daemon zwang sich, ruhiger zu atmen. Das war die Frage. Wo?
    Gewiss nicht an Maris’ Hof.
    Es war später Vormittag, als er unter Schmerzen und schmutzbedeckt zum Haus zurückkehrte. In seinem Handgelenk pochte es, und sein Kopf schien zerbersten zu wollen. Als er die Terrasse erreichte, stürzte Marissa, die Tochter von Maris, aus dem Wintergarten und baute sich vor ihm auf, die Hände in die Hüften gestemmt. Ihr Gesichtsausdruck verriet eine Mischung aus Wut und Begehren.
    »Letzte Nacht solltest du auf mein Zimmer kommen, hast es aber nicht getan. Wo warst du? Und wie siehst du überhaupt aus?« Sie straffte die Schultern und sah ihn unter ihren Wimpern hindurch an. »Du warst ungezogen und musst nun mit mir auf mein Zimmer gehen und alles erklären.«
    Daemon stieß sie aus dem Weg. »Ich bin müde. Ich gehe zu Bett.«
    »Du tust, was ich dir sage!« Marissa griff ihm zwischen die Beine.
    Daemon hatte sie so blitzschnell und gewaltsam am Handgelenk gepackt, dass Marissa vor Schmerz wimmernd in die Knie ging, ohne zu wissen, wie ihr geschah. Er quetschte weiter ihr Gelenk, bis die Knochen zu zerbrechen drohten. Dann sah er sie mit einem brutalen Lächeln an.
    »Ich bin nicht ›ungezogen‹. Kleine Jungen sind ungezogen. « Er schleuderte sie von sich und stieg über ihren auf der Steinterrasse hingestreckten Körper hinweg. »Und wenn du mich je wieder auf diese Weise anfasst, reiße ich dir die Hand ab.«
    Daemon ging durch die Gänge auf sein Zimmer zu, wobei ihm nicht entging, dass die Dienstboten vor ihm weghuschten, da der Nachgeschmack von Gewalt in der Luft
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