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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht
Autoren: James Mia
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Schule ihr vorab eine Furcht einflößend lange Liste mit Verhaltensregeln zugeschickt hatte, einschließlich einer Kleiderordnung, die Absatzhöhe, Rocklänge und anderes festlegte. Trotzdem war es befreiend – um nicht zu sagen erschreckend –, in »richtigen« Sachen zur Schule zu gehen. Nach langem Überlegen hatte sie sich schließlich für eine Kombination entschieden, die stylish und gleichzeitig ungefährlich neutral war; in ihrem dunkelblauen Rock und dem cremefarbenen Pulli mit dem weiten Schalkragen würde sie kaum als Fashion-Ikone in die Geschichte eingehen, aber es sollte ja auch eher so eine Art Tarnkleidung sein. Sie wollte sich so unsichtbar wie möglich machen… Ob ihr das Outfit allerdings tatsächlich helfen würde, sich unauffällig einzufügen, oder ob sie damit eher aus der Masse der Schülerinnen herausstechen würde, würde sie leider erst erfahren, wenn sie dort war.
    Von dem Hügel aus, auf dem Highgate lag, schlenderte sie die Swain’s Lane hinunter, der man deutlich ansah, wie alt sie war. Auf der einen Seite wurde die Straße von altertümlichen Mauern begrenzt, und auf der anderen erhob sich ein hoher schmiedeeiserner Zaun, durch den man auf den alten Friedhof von Highgate blicken konnte. Als April sich im Internet vorab über ihren neuen Wohnort informiert hatte – in der heimlichen Hoffnung, irgendetwas Schreckliches herauszufinden, das ihre Eltern überzeugen würde, dass es doch besser wäre, in Schottland zu bleiben –, hatte sie gelesen, dass es eine Menge faszinierender Persönlichkeiten gab, die dort begraben waren. Berühmtheiten wie Karl Marx lagen hier sozusagen Schulter an Schulter mit Radclyffe Hall, der wenig bekannten Autorin eines Buches mit dem Titel »Quell der Einsamkeit « . April sah sich um. Einsamkeit. Sehr treffende Beschreibung dieser Gegend, dachte sie und schreckte zusammen, als plötzlich etwas durch die Hecke brach und über die Straße flitzte. Mit wild klopfendem Herzen presste sie eine Hand auf den Mund, um nicht laut aufzuschreien.
    »Ein Fuchs!« Sie schüttelte über sich selbst den Kopf.
    Natürlich wusste sie, dass Füchse in vielen Städten ein fast schon alltäglicher Anblick waren, aber in Edinburghs Granitwüste hatte sie noch nie einen gesehen.
    »Was bist du bloß für ein Angsthase«, murmelte sie vor sich hin, sah dann aber doch noch einmal nervös über die Schulter zurück und ging ein bisschen schneller.
    Als sie kurz darauf vor dem Schulgebäude stand, musste sie zugeben, dass es bei Tageslicht einen sehr imposanten Eindruck bot. Die Sonne stand zwar noch nicht besonders hoch, aber der Regen hatte die Dachziegel blank gewaschen, und die Pfützen auf dem Hof vor dem säulengestützten Portal spiegelten die ganze Pracht des altehrwürdigen Gemäuers wider. Als sie auf die hohen Tore zuging, musste sie sich zwischen einer langen Reihe von Autos hindurchschlängeln, die vor der Schule hielten.
    April unterdrückte ein ungläubiges Lachen. Es sah aus wie bei einer Oscar-Verleihung – eine dunkle Luxuslimousine nach der anderen entließ ihre hochrangige Fracht auf einen imaginären roten Teppich, bevor sie wieder davonschnurrte. Sie zählte zwei graue Porsche Cayenne, drei Bentley und sechs schwarze Geländewagen unterschiedlicher Ausführungen, die alle getönte Scheiben hatten und direkt auf der breiten, kiesbedeckten Auffahrt der Ravenwood School hielten. April sprach ein stummes Dankgebet, dass sie sich die Demütigung erspart hatte, sich von ihrer Mutter in ihrem kleinen Mittelklassewagen hier absetzen zu lassen. Obwohl sie die aussteigenden Schüler nur von hinten sehen konnte, erkannte sie sofort die leuchtend roten Sohlen der sicher nicht von der Schulleitung vorgeschriebenen hochhackigen Christian Louboutains, ganz zu schweigen von den als Schultaschen getarnten Louis-Vuitton- und Mulberry-Taschen aus unterschiedlichsten Kollektionen. Oh Gott, ich bin mitten in der Hölle gelandet, dachte sie. Dann holte sie tief Luft und schloss sich den ins Schulgebäude strömenden Schülern an. Es half ja nichts, irgendwann würde sie sowieso hineingehen müssen. Ein paar der jüngeren Schüler warfen ihr neugierige Blicke zu, aber sie nahm an, dass alle Oberstufenschüler für sie gleich aussahen. Als sie in der Eingangshalle stand, zog sie das Schreiben der Schule aus der Tasche, in dem stand, dass sie sich um neun Uhr in Raum sechsunddreißig melden sollte. Nur – wo war dieser Raum sechsunddreißig? Ihr blieb nichts anderes übrig, als
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