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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter
Autoren: Paula Daly
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Joe. Wie ihre Geschwister. Wenn Sie ihn fragen, woher er kommt, wird er »Ambleside« sagen; aber die meisten Leute halten ihn fälschlicherweise für einen Italiener. Kallisto ist ein südamerikanischer Name, genau genommen ein brasilianischer, aber wir vermuten, dass Joes Familie aus Argentinien stammt. Er hat dunkles Haar, dunkle Augen und dunkle Haut. Wie seine Kinder. Sie alle haben Joes schwarz glänzendes, glattes Haar und die absurd langen Wimpern geerbt. Sally findet sich natürlich hässlich. Sie glaubt, ihre Freundinnen wären viel hübscher als sie. Wir arbeiten daran, sie vom Gegenteil zu überzeugen, aber mir, ihrer Mutter, glaubt sie natürlich kein Wort. Und überhaupt, wovon habe ich schon eine Ahnung?
    »Hast du heute Sport?«, frage ich.
    »Nein. Werken.«
    »Was baut ihr gerade?«
    Ich weiß nicht genau, was Werken eigentlich ist. Es scheint ums Tischlern und Nähen und um Design zu gehen, also um so ziemlich alles …
    Sally legt den Löffel hin. Sie sieht mich an, als wollte sie fragen: Soll das ein Witz sein?
    »Heute ist Lebensmittelverarbeitung dran«, sagt sie, ohne mich aus den Augen zu lassen, »mit anderen Worten: Wir kochen. Erzähl mir nicht, du hättest die Zutaten vergessen. Die Liste«, sagt sie und zeigt zum Kühlschrank, »hängt da.«
    »Mist«, sage ich leise, »das habe ich komplett vergessen. Was brauchst du denn?«
    Sally springt auf, und die Stuhlbeine scharren über den Fliesenboden. Und ich denke die ganze Zeit: Pfannkuchen, bitte lass es Pfannkuchen sein. Mehl habe ich da, den Rest werde ich schon irgendwie auftreiben. Oder Crumble. Obst-Crumble, das wäre gut. Dann kann Sally die alten Äpfel mitnehmen und was sonst noch in der Obstschale liegt. Das wäre prima.
    Sally nimmt den Zettel von der Kühlschranktür. »Pizza.«
    »Nein!«, sage ich ungläubig. »Pizza?«
    »Wir brauchen Tomaten aus der Dose, Mozzarella, irgendwas als Unterlage, also Baguette oder Fladenbrot, dazu Belag nach Wunsch. Am liebsten hätte ich grüne Paprika und Hühnchen, aber zur Not nehme ich auch Thunfisch. Falls du nichts anderes im Haus hast.«
    Wir haben keine dieser Zutaten im Haus. Keine einzige.
    Ich schließe die Augen. »Warum hast du mich nicht daran erinnert? Ich hatte dich gebeten, mich zu erinnern. Warum hast du mich nicht erinnert, als ich …«
    »Habe ich doch!«
    »Wann?«
    »Am Freitag, nach der Schule«, sagt sie. »Du hast am Laptop gesessen.«
    Das stimmt, es fällt mir wieder ein. Ich wollte Kaminholz bestellen, aber die Webseite hat meine Kreditkarte abgelehnt. Ich habe mich wahnsinnig aufgeregt.
    Sallys Gesichtsausdruck schlägt von Zufriedenheit darüber, recht zu haben, in leichte Panik um. »Wir kochen in der dritten Stunde«, sagt sie mit lauter Stimme, »woher soll ich das Zeug bis zur dritten Stunde besorgen?«
    »Kannst du der Lehrerin nicht einfach sagen, deine Mutter hätte es vergessen?«
    »Das habe ich letztes Mal schon gesagt, aber sie will es nicht mehr gelten lassen. Sie sagt, ich wäre dafür mindestens genauso verantwortlich wie du. Sie hat gesagt, zur Not könnte ich ja selber zum Supermarkt gehen.«
    »Hast du ihr gesagt, dass wir in Troutbeck wohnen?«
    »Nein. Dann heißt es wieder nur, ich würde ständig widersprechen.«
    Wir stehen uns gegenüber und starren einander ins Gesicht, ich in der Hoffnung auf eine plötzliche Eingebung, und Sally in der Hoffnung, irgendwann eine besser organisierte Mutter zu haben.
    »Überlass es mir«, sage ich schließlich, »ich werde mich drum kümmern.«
    Ich denke über meinen Tagesablauf nach und schenke Apfelsaft aus, als die beiden Jungs hereinkommen und sich an den Tisch setzen. Im Tierheim leben momentan vierzehn Hunde und elf Katzen. Um die Hunde mache ich mir keine Sorgen, aber meine zuverlässigste Katzenpflegerin lässt sich morgen die Gebärmutter entfernen, sodass ich heute Vormittag vier Katzen selbst abholen muss. Außerdem erwarten wir zwei Hunde aus Nordirland, die ich schlicht und einfach vergessen hatte.
    Die Jungen streiten sich um die letzten Rice Krispies, weil keiner die alten Cornflakes essen will, die seit letztem Sommer ganz hinten im Schrank stehen. James ist elf und Sam sieben. Sie sind beide spindeldürr, haben große braune Augen und nichts als Unsinn im Kopf. Die Sorte Jungs, die von ihren italienischen Müttern regelmäßig Schläge auf den Kopf bekommt. Süße, aber wilde Jungs, die ich natürlich über alles liebe.
    Ich überlege mir gerade, Joe zu wecken und wegen der Pizzazutaten
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