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Die Schuld des Anderen

Die Schuld des Anderen

Titel: Die Schuld des Anderen
Autoren: Edgar Wallace
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standen Reagenzgläser, Mikroskope und wissenschaftliche Apparate.
    Als die Tür geöffnet wurde, fuhr der Mann zusammen und hob abwehrend die Hand. Dann, nachdem er einen Blick auf seinen Besucher geworfen hatte, stand er auf.
    »Treten Sie doch bitte näher -«, sagte er höflich. »Bring einen Stuhl, Verity!«
    Gold folgte ihr mit den Augen, als sie den Stuhl holte. Sie war wirklich sehr hübsch - das Haar glänzte wie Seide, die feinen, geschwungenen Augenbrauen gaben dem Gesicht das Gepräge, und die großen, graublauen, leicht schwermütigen Augen hatten einen ganz besonderen Reiz. Gold wandte sich ab, als er bemerkte, daß sie unter seinen prüfenden Blicken errötete.
    Maple sah ihn unsicher lächelnd an. Eine Frage stand in seinem hageren, verwüsteten Gesicht. Dieses Mädchen, das erst seit kurzem bei Maple wohnte, war die Tochter eines älteren Bruders, die einzige Verwandte, die er auf der Welt besaß. Sie hatte einen guten Einfluß auf ihn, und er hatte eine wunderliche Zuneigung zu ihr gefaßt.
    Gold nickte ihm beruhigend zu.
    »Maple, ich glaube, Sie haben Ihre Nichte in der bewußten Angelegenheit ins Vertrauen gezogen«, begann er das Gespräch und rückte seinen Stuhl näher an den Tisch.
    »Ja, ich habe kein Geheimnis vor ihr.«
    Auf dem Tisch lag eine lederne Brieftasche. Maple nahm sie mit seinen zitternden Händen auf, öffnete sie und zog ein Bündel länglicher Banknoten heraus. Es waren amerikanische Fünfdollarscheine, im ganzen zwanzig Stück. Sie alle zeigten grüne, rote und gelbe Flecken; wie sie bei chemischen Experimenten entstehen.
    »Ihrer Meinung nach sind es also lauter Fälschungen?« fragte Gold.
    Maple nickte.
    »Ich habe jede genau untersucht. Sie kennen doch das Geheimzeichen des Schatzamtes der Vereinigten Staaten - das Zeichen, das praktisch nicht zu fälschen ist -, es fehlt bei allen.«
    Maple sprach jetzt ganz offensichtlich über seinen ureigensten Gegenstand. Müdigkeit und Stumpfheit waren vollständig von ihm abgefallen, seine Stimme klang klar und deutlich.
    »Und wie steht es mit der Druckfarbe?«
    »Die ist tadellos«, antwortete Maple bewundernd. »Ich möchte fast annehmen, daß es sich um die Originalfarbe handelt, die in den staatlichen Druckereien verwendet wird.«
    »Die Wasserzeichen?«
    »Ohne jeden Fehler! Vor allem aber muß ich Sie auf etwas aufmerksam machen, das Sie sicher in Erstaunen setzen wird.« Maple wies mit einer gewichtigen Geste auf die Banknoten, die vor ihm lagen. »Der Mann, der diese Scheine gefälscht hat, bediente sich nicht - wie sonst üblich - der Fotografie als Hilfsmittel. Alle diese Scheine wurden mit richtigen Druckplatten hergestellt!
    Ich weiß es, weil… Doch das tut nichts zur Sache. Auf jeden Fall weiß ich es ganz bestimmt. Die Banknoten wurden sogar auf einer Presse gedruckt, wie sie ganz speziell für diesen Zweck hergestellt werden; ja selbst das Papier, das verwendet wurde, ist von genau der gleichen Qualität, wie es das Schatzamt anfertigen läßt.« Er griff nach den Scheinen und steckte sie in die Brieftasche zurück. »Auf Banknotenfälschungen bin ich schon immer spezialisiert gewesen«, bemerkte er nach einer Pause mit einem schiefen Lächeln. »Ich habe sowohl in der französischen als auch in der deutschen Staatsdruckerei gearbeitet - und in Frankreich sollte ich eigentlich heute noch eine gute Stellung innehaben, wenn nicht…« Mit einer abrupten Handbewegung brach er ab. »Kurz und gut, Mr. Gold, ich kann Ihnen versichern, daß jeder ungestraft diese Noten in Umlauf bringen kann - und nicht nur die kleinen Scheine, sondern auch die Hundertdollarnoten, die ich untersucht habe.«
    »Es gibt also wirklich keine Möglichkeit, sie zu erkennen?« fragte Gold.
    Maple schüttelte den Kopf.
    »Nur das Schatzamt der Vereinigten Staaten könnte sie aufgrund des fehlenden Geheimzeichens als Fälschungen identifizieren.«
    Gold schob seinen Stuhl zurück, stützte das Kinn in die Hand und dachte angestrengt nach. Das Mädchen, das sich neben dem Herd auf einen Hocker gesetzt hatte, schaute von einem zum andern. Plötzlich blickte Gold wieder auf.
    »Es ist nur ein Glück, daß die Fälscher ihrer Sache nicht so sicher sind wie Sie. Ich hatte mich mit einem von ihnen heute abend im Green Park verabredet, aber er muß Verdacht geschöpft haben. Statt seiner erwartete mich…« »Wer?« fragte Maple, als Gold verstummte.
    »Spielt keine Rolle«, brummte Gold und versank wieder in Nachdenken.
    Er war ernstlich beunruhigt.
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