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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen
Autoren: Miklós Bánffy
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saß er auf dem harten Rohrstuhl, die Beine übereinandergeschlagen, seine Hose war über dem weichen Schaft der altmodischen Stiefel ein wenig hinaufgerutscht. Die unerlässliche kleine Meerschaumpfeife im Mund, hörte er sich die langfädigen Berichte wortlos an. Er stellte nur selten eine Frage oder ermahnte kurz jemanden, der sich gegenüber einem anderen zu Heftigkeit hatte hinreißen lassen. Aber dergleichen war kaum nötig, die Leute benahmen sich immer sehr geziemend. Nachdem dann jedermann das Seine vorgetragen hatte, erteilte der alte Herr seinen Rat.
    Er sprach, je nach Bedarf, Ungarisch wie Rumänisch fließend. Die Streitparteien fügten sich zumeist in sein Urteil. Zuletzt, wie auch die Sache für sie ausgegangen war, küssten sie ihm die Hand und entfernten sich in schöner Ordnung. Sie küssten auch ihm, Bálint, die Hand, wogegen er sich zu wehren suchte. Doch der alte Herr beschied ihn auf Französisch, es zuzulassen, da die Leute sonst glaubten, er ekle sich, und sie würden ob seiner Weigerung beleidigt sein.
    Auch andere Gäste empfing man oft im Herrenhaus Abády. Die Jüngeren kamen, um ihre Aufwartung zu machen, sich vorzustellen oder eine Gunst zu erbitten, denn Péter Abádys Einfluss, obwohl er sich von zu Hause immer seltener wegrührte, war gewaltig geblieben, er reichte weit und in viele Richtungen. Dies nicht nur darum, weil er schon seit zwei Jahrzehnten Superintendant der reformierten Kirche, Mitglied des Oberhauses und Bannerherr war, sondern weil alle wussten, dass er nur für gerechte Sachen einstand; ebenso wusste man, dass sein Wort auch bei Hofe, bei Franz Joseph ins Gewicht fiel.
    Die Älteren erwiesen ihm die Ehre, da sie von jeher an ihm hingen. Sie waren noch ziemlich zahlreich: einstige Komitatsherren aus der Zeit, da er in Alsó-Fehér als Obergespan geamtet hatte, oder frühere Honvéd-Soldaten, die in der Bach-Periode von ihm vor dem Gefängnis gerettet worden waren.
    Regelmäßige Besucher gab es zwei: Tante Lizinka, die jedes Jahr zwei Wochen dort verbrachte, und Mihály Gál, alias Minya Gál, den alten Schauspieler, der stets nur drei Tage blieb, weder mehr noch weniger.
    Der kleine Junge liebte diesen sehr. Wusste er, dass Gál dort weilte, dann überwand er den Zaun mehrmals am Tag heimlich, und er hörte dem Gespräch und den Scherzen der beiden alten Männer zu, er lauschte den vorzeitlichen Schauspieleranekdoten Gáls, die von Frau Déry und von Celestin handelten, obwohl er von den meisten Namensträgern nicht wusste, was für Leute sie gewesen waren.
    Der alte Minya kam immer zu Fuß und ging zu Fuß weg. Das Angebot, die Kutsche zu benutzen, nahm er nie an. Die Haltung war ihm aus seiner Zeit als wandernder Schauspieler geblieben, und es gab dabei auch eine Art von merkwürdigem, hoffärtigem Puritanismus, etwas vom »Just-nicht!«-Starrsinn, oder vielleicht lag es nur daran, dass er, wie er allein auf der Landstraße dahinwandelte, sich in Gedanken wieder in die Wanderjahre seiner Jugend versetzt fühlte. Er war einst ein Klassenkamerad Péter Abádys gewesen, sie saßen in den zwanziger Jahren zusammen in Vásárhely im Gymnasium.
    Sie hatten damals im Kollegium Freundschaft geschlossen, die sie hernach mehr als siebzig Jahre miteinander verband. Die beiden duzten sich, doch wenn andere – so auch der kleine Junge – mit dabei waren, vermied Minya die Anrede.
    Bálint fiel nun ein, dass Gál aus dieser Gegend stammte. Zum letzten Mal hatte er ihn 1892, vor zwölf Jahren, auf der Beerdigung des Großvaters gesehen. Er war auch damals von Vásárhely gekommen, wo er, wie er sagte, ein kleines Haus besaß. Ei, man sollte in Erfahrung bringen, ob er noch am Leben ist. Und wenn er lebt, müsste man den Freund des Großvaters besuchen. Zwar wird er kaum mehr am Leben sein, denn er wäre heute fast schon hundertjährig, fünf bis sechs Jahre dürften dazu fehlen. Bálint beschloss trotzdem, dass er nach der Rückkehr von Siklód dem Geschick des alten Schauspielers, der zu den lebendigsten Erinnerungen seiner Kindheit gehörte, nachspüren werde.

    Über dergleichen dachte der junge Abády nach. Das eintönige Bimmeln der an den Fiakerpferden befestigten Glöckchen begleitete seine Erinnerungen, als tönten sie aus der fernen Vergangenheit zurück.
    Rasches Pferdegetrappel ließ ihn zu sich kommen.
    Zwei Juckergespanne zogen hintereinander rasch an ihm vorbei.
    Das erste wurde von István Kendy gelenkt, den man kurz und allgemein Pityu nannte, und auf dem
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