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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen
Autoren: Miklós Bánffy
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sich gegen Morgen tieftraurig auf den Schoß des Zigeunerprimas setzte oder den Cellisten küsste, galt als ein besonders feiner Kamerad.
    Bei all dem spielte natürlich das Wetteifern eine große Rolle.
    Einander überbieten, der härtere Kerl sein! – eine natürliche Regung junger Leute. Und viel Posieren und Äfferei gehörten auch dazu.
    Die meisten rühmten sich denn auch tags darauf: »Hei, war ich aber letzte Nacht betrunken!« Sie erzählten das auch den kleinen Comtessen, die so taten, als imponierte ihnen dies sehr. Kein Wunder. Denn bei der allgemeinen Gefallsucht und inmitten der Gattenjagd nahmen die Mädchen dergleichen nicht allzu ernst, die Hauptsache blieb, dass man sich mit ihnen befasste und sie lieb ins Vertrauen zog. Recht freundlich hörten sie sich aber das Erzählte außerdem darum an, weil unter dem Fenster des Fräuleins, das für derartiges ein Herz hatte und durchblicken ließ, dass auch sie für die ungarischen Lieder schwärmte, öfter ein Ständchen dargebracht wurde, so wie es sich während oder nach dem Vergnügen mit Zigeunermusik nun einmal ziemte.
    Auch die Mütter stießen sich an solchen Dingen nicht allzu sehr. Ihre Gatten gehörten zur Generation, die nach 48 aufgewachsen war. Zahlreich waren unter ihnen jene, die in den Jahren des Absolutismus als junge Mitglieder des Adelsstands in den öffentlichen Dienst – in ihren früheren Hauptberuf – nicht hatten zurückkehren können, sodass sie sich infolge der erzwungenen Untätigkeit dem Trunk ergaben. Sie wurden trotzdem gute Ehemänner. Musste man ihren Frauen vorhalten, dass sie die Männer nicht an der Kandare gehalten hätten, wenn der eine oder andere unter ihnen an der Trunksucht zugrunde ging? Die Mütter hatten einen weiteren Grund zur Nachsicht. Solche mit Zigeunermusik gefeierten Feste verliefen in Siebenbürgen in den ersten Stunden auch im Beisein der Mädchen, und da kam es leichter vor, dass einer um ihre Hand anhielt. Und vergnügten sich die Männer für sich, und dies war die häufigste und meistbegossene Art der Gelage, dann waren sie unter sich, und es galt als ausgeschlossen, dass sie irgendwelche »schlechte Personen« zuließen. Die älteren Damen zogen es daher vor, wenn die jungen Herren die Nacht mit Zigeunermusikern verbrachten, statt dass sie »Gott weiß, meine Liebe, wo zu Besuch hingehen und sich am Ende noch irgendeine Krankheit holen«.

    So in seinen Gedanken, aus der Distanz von fünf bis sechs Jahren, sah Bálint diese Zusammenhänge klarer, viel klarer als während seiner Universitätsjahre. Ja, die Mädchen – sozusagen alle – hegten oder heuchelten zumindest eine gewisse Bewunderung für die Männer, die im Rufe eines großen Zechbruders standen. Er hatte nur eine getroffen, die ihre stark gezeichneten, geraden Augenbrauen missbilligend zusammenzog und das Kinn hob, wenn jemand sich vor ihr mit derartigem brüsten wollte.
    Es gab nur eine: Adrienne Milóth.
    Ein seltsames, selbständig denkendes Mädchen. In den meisten Dingen anders als die Masse. Sie tanzte keinen Csárdás, ihr Leiblied war ein Walzer, Champagner trank sie kaum, und in ihren Augen lag stets irgendeine ernste Besonnenheit. Sie war freundlich und sehr intelligent. Wie nur hat sie diesen finster blickenden Pál Uzdy heiraten können? Nichts zu machen!
    Den Frauen gefallen nun einmal solche Satansfratzen, dachte er bei sich, und als ihm dies einfiel, erwachte in ihm flüchtig wieder der Ärger, der ihn ohne jeden Grund erfüllt hatte, als er – zwei Jahre war es her – die Nachricht von Adriennes Verlobung vernahm.
    Nicht aus Eifersucht. Ach, nein. Bestimmt nicht.

    Als Adrienne im Frühling 1898 Debütantin war, stand er als Jurist schon im vierten Jahr, und zu der Zeit war seine Affäre mit der schönen kleinen Frau Abonyi am heftigsten im Gange. Eine leidenschaftliche Angelegenheit. Die erste Frauengeschichte, die in seinem Leben zählte. Eine Monate dauernde, spannende Jagd und am Ende dann nach viel quälender Eifersucht und glänzender Hoffnung die triumphale Erfüllung. Dies beanspruchte gerade damals jeden Nerv, seine volle Liebessehnsucht, jeden seiner Sinne.
    Das Haus Milóth besuchte er also nicht wegen einer Liebe.
    Dergleichen kam mit Adrienne nie zur Sprache. Nicht einmal als Thema. Einen Flirt gab es zwischen ihnen ebenso wenig und auch kein Wort über Flirts. Er begehrte sie als Frau nie, nicht einen Augenblick lang, mochten sie noch so lange miteinander tanzen. So viel er auch mit ihr zu zweit
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