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Die-Schnaeppchenjaegerin

Die-Schnaeppchenjaegerin

Titel: Die-Schnaeppchenjaegerin
Autoren: Sophie Kinsella
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wie ein gestresster Geschäftsmann mit einem Magengeschwür. Ich trommele mit den Fingern, seufze und blicke durch das Fenster hinaus ins Schwarze.
    Ein Teil meines Gehirns weiß, dass ich Zeit genug habe und dass ich vor Ladenschluss bei Denny and George sein kann. Und ein anderer Teil weiß, dass, selbst wenn ich es nicht rechtzeitig schaffen sollte, die blonde Frau mein Tuch kaum an jemand anderen verkaufen wird. Die Möglichkeit besteht aber trotzdem. Das heißt, solange ich dieses Tuch nicht in meinen Händen halte, werde ich mich nicht entspannen können.
    Als der Zug sich endlich wieder in Bewegung setzt, sinke ich mit einem dramatischen Seufzer in meinen Sitz zurück und sehe den blassen, stillen Mann zu meiner Linken an.
    »Gott sei Dank!«, sage ich. »Ich bin ja schon fast verzweifelt.«
    »Ja, ganz schön frustrierend«, pflichtet er mir leise bei.
    »Nachdenken tun die ja wohl gar nicht, oder?«, sage ich. »Ich meine, es gibt schließlich Leute, die wirklich wichtige Dinge zu tun haben. Ich bin ganz schrecklich in Eile!«
    »Ich bin auch ein bisschen in Eile«, sagt der Mann.
    »Wenn der Zug sich jetzt nicht langsam bewegt hätte - ich weiß nicht, was ich getan hätte.« Ich schüttele den Kopf. »Man fühlt sich so... so ohnmächtig!«
    »Ich weiß genau, was Sie meinen«, erwidert der Mann sehr ernst. »Die machen sich überhaupt nicht klar, dass manche von uns...« Er deutet auf mich. »...Also, dass manche von uns nicht nur aus Spaß hin- und herfahren. Dass es wirklich wichtig ist, ob wir rechtzeitig ankommen oder nicht.«
    »Wie Recht Sie haben!«, sage ich. »Wo müssen Sie hin?«
    »Meine Frau liegt in den Wehen«, antwortet er. »Unser viertes.«
    »Oh«, sage ich überrascht. »Also... Wow. Herzlichen Glückwunsch. Na, hoffentlich kommen Sie -«
    »Letztes Mal hat es eineinhalb Stunden gedauert«, berichtet der Mann und wischt sich den Schweiß von der Stirn. »Und jetzt sitze ich schon vierzig Minuten in diesem Zug fest. Aber gut. Jetzt geht’s ja weiter.«
    Er zuckt kaum merklich mit den Schultern und lächelt mich dann an.
    »Und Sie? Was haben Sie Wichtiges zu erledigen?«
    Oh, Gott.
    »Ich... äh... Ich wollte...«
    Ich verstumme und räuspere mich, während ich merke, dass ich rot anlaufe. Ich kann diesem Mann unmöglich erzählen, dass meine unglaublich wichtige Mission darin besteht, bei Denny and George ein Tuch abzuholen.
    Ich meine, ein Tuch. Wenn es wenigstens ein Kostüm wäre oder ein Mantel oder irgendetwas anderes Gewichtigeres.
    »So wichtig ist es gar nicht«, höre ich mich murmeln.
    »Doch bestimmt«, widerspricht er freundlich.
    Oh nein, jetzt fühle ich mich noch schlechter. Ich sehe auf- Gott sei Dank, ich muss aussteigen!
    ^
    »Viel Glück«, sage ich und springe auf. »Ich drücke Ihnen die Daumen, dass Sie rechtzeitig da sind!«
    Verschämt marschiere ich von der Haltestelle in Richtung Denny and George. Vielleicht hätte ich die hundertzwanzig Pfund dem Mann geben sollen, für sein Baby, anstatt einen sinnlosen Schal zu kaufen. Mal im Ernst, was ist wichtiger? Klamotten - oder das Wunder neu geborenen Lebens?
    Ich denke über diese Frage nach und komme mir wahnsinnig tiefsinnig und philosophisch vor. Ich bin so beeindruckt von mir selbst, dass ich beinahe vergesse, abzubiegen. Aber ich sehe gerade noch rechtzeitig auf, gehe um die Ecke - und erstarre fast vor Schreck. Ein Mädchen kommt auf mich zu. Mit einer Dennyand-George-Tüte in der Hand! Von einer Sekunde zur anderen bin ich wieder glockenwach.
    Oh, Gott.
    Wenn sie nun mein Tuch gekauft hat?
    Wenn sie nun explizit nach diesem Tuch gefragt und die Verkäuferin es ihr verkauft hat, weil sie dachte, ich würde nicht wiederkommen?
    Mein Herz fängt panisch an zu klopfen. Ich beschleunige meinen Schritt. Als ich die Ladentür erreiche und öffne, kriege ich kaum noch Luft vor Angst. Wenn es nun weg ist? Was soll ich dann bloß tun?
    Doch die blonde Verkäuferin lächelt, als ich hereinkomme.
    »Hü«, begrüßt sie mich. »Es liegt noch hier.«
    »Ach, danke«, sage ich erleichtert und stütze mich deutlich geschwächt am Tresen ab.
    Mir ist, als hätte ich gerade einen Marathonlauf absolviert. Ich finde ja, dass Einkaufen auf die lange Liste der Herz-Kreislauffördernden Maßnahmen gehört. Mein Herz schlägt mit Abstand am schnellsten, wenn ich ein »50% reduziert«Schild sehe.
    Ich blättere die Zehn- und Zwanzig-Pfund-Scheine auf den Tresen, dann beobachte ich mit einem leisen Schaudern, wie sie sich bückt
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