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Die schlafende Armee

Die schlafende Armee

Titel: Die schlafende Armee
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fragte Stone, ohne den Blick vom Gesicht des reglosen Megamannes zu nehmen. Er wußte nicht, wie lange er hier schon stand - fünf oder zehn Minuten. Vor einer Weile waren die beiden Inspektoren gegangen, und einen Augenblick später hatte er das Geräusch des startenden Gleiters gehört; mit Ausnahme seines eigenen Fahrzeuges der letzten Maschine, die sich noch in der Nähe des Nestes aufgehalten hatte. Stone löste seinen Blick von Kyles Gesicht und wiederholte seine Frage, in schärferem und hörbar ungeduldigem Tonfall. »Und?«  »Ich habe die Situation analysiert, Herr«, antwortete Luzifer. »Es könnte Gefahr bestehen.« »Von einem einzigen Fahrzeug?« fragte Stone spöttisch. »Es handelt sich um eine hochentwickelte Kampfeinheit, Herr«, antwortete Luzifer. »Solche Maschinen haben uns bereits schwere Verluste zugefügt. Unser Gleiter ist ihr an Kampfkraft um einen Faktor zwei unterlegen.« »Dann solltest du beten, daß sie in friedlicher Absicht kommen, mein Freund«, sagte Stone spöttisch. »Falls du überhaupt weißt, was dieses Wort bedeutet.« Er schnitt Luzifer mit einer energischen Handbewegung das Wort ab, als die Ameise widersprechen wollte. »Ich glaube, ich weiß, wer in diesem Hubschrauber sitzt.« »Es ist unklug, ein vermeidbares Risiko einzugehen, Herr«, sagte Luzifer. »Ich weiß«, antwortete Stone gelassen. »Aber so sind wir Menschen manchmal. Mach das Schiff startklar. Aber du bleibst an Bord, ganz egal, was passiert - es sei denn, ich rufe dich ausdrücklich.« »Soll ich nicht wenigstens eine Kampfeinheit zu Hilfe...« »Du sollst«, unterbrach Stone Luzifer gereizt, »jetzt endlich tun, was ich dir sage. Oder brauchst du den Befehl schriftlich?« »Nein, Herr«, antwortete Luzifer devot. »Dann geh«, sagte Stone. »Und paß auf diesen Zwerg auf. Er ist gefährlicher, als er aussieht.« »Ich weiß, Herr«, sagte Luzifer, während er sich herumdrehte und die Kathedrale verließ, um zu dem Gleiter zu gehen. Stone sah ihm nachdenklich hinterher. Du weißt? dachte er. O nein, mein Freund. Du hast ja keine Ahnung. Ihr habt ja alle keine Ahnung.  Plötzlich hatte er alle Mühe, ein hysterisches Lachen zu unterdrücken.
     
    *
     
    Obwohl Charity mit Höchstgeschwindigkeit flog, brauchten sie fast fünfzehn Minuten, ehe sie den Dom erreichten. Sie hatte damit gerechnet, die Luft über der gewaltigen Kirchenruine voller Gleiter und Kampfschiffe zu finden, aber die einzige Bewegung am Boden waren Staubfahnen, die der Wind vor sich hertrieb. Charity drosselte die Geschwindigkeit des Hubschraubers, bis das Fahrzeug reglos in der Luft hing, zwanzig, dreißig Meter über dem Vorplatz, auf dem Krämers Männer vor Tagesfrist ein Gemetzel unter den Jared und Ameisen angerichtet hatten. Charity schätzte die Anzahl der toten Barbaren auf weit über hundert. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie wegzubringen. Der Anblick erfüllte sie mit Bitterkeit, ja, fast Zorn. Der Angriff war so sinnlos gewesen. Und er hatte eine entsetzliche Antwort provoziert. Hartmann schien ihre Gedanken zu lesen, denn er sagte plötzlich leise: »Es tut mir leid. Ich wußte nicht, was...« »Niemand konnte wissen, was sie wirklich sind.« »Wissen Sie es denn?« fragte Hartmann. »Ich hoffe es«, murmelte Charity. »Wenn nicht, sind wir nämlich schon so gut wie tot.« Wie der Flug war auch ihre Landung nicht gerade ein Meisterwerk - der Stealth-Copter setzte mit einem so harten Ruck auf, daß Charity nicht sonderlich überrascht gewesen wäre, wäre er in zwei Stück zerbrochen. Hastig riß sie sich' den Helm vom Kopf, schaltete die Turbine aus und blickte noch einmal zum Dom hinüber, ehe sie sich erhob. Das Tor stand weit offen, und ihre überreizten Nerven gaukelten ihr schattenhafte Bewegungen dahinter vor. Sie betete, daß es wirklich nur ein Trugschluß war. »Bleiben Sie hier, Hartmann«, sagte sie leise. »Wenn ... irgend etwas schiefgeht, versuchen Sie zu fliehen.« »Ich kann dieses Ding nicht fliegen«, antwortete Hartmann. Er griff an seinen Gürtel und zog die Pistole, aber Charity schüttelte nur den Kopf, als er ihr die Waffe hinhielt. So aberwitzig ihr der Gedanke auch im ersten Moment selbst vorkam, nach den Geschehnissen der letzten Stunde - sie hatte endgültig begriffen, daß dieser Kampf nicht mit Waffen entschieden werden konnte. Skudder und Net folgten ihr, als sie den Helikopter verließ und langsam auf das Tor zuging. Keiner von ihnen sprach ein Wort, aber sie
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