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Die Schildbuerger

Die Schildbuerger

Titel: Die Schildbuerger
Autoren: Erich Kastner
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zu schreiben, unter anderem für die »Weltbühne«. 1927 fragte ihn die Witwe seines Verlegers, Edith Jacobsohn, ob er nicht Lust habe, für sie einen Kinderroman zu schreiben. Kästner hatte Lust, und 1928 erschien »Emil und die Detektive« und wurde ein unbeschreiblicher Erfolg. Kästner, der Lehrer, der sich einen Moralisten nannte, schrieb für Kinder, »ohne in die Kniebeuge zu gehen, weil Kinder erwiesenermaßen klein sind«. Er nahm sie ernst. Er wollte nicht, daß sie solche Erwachsene würden wie die, die er um sich sah: verlogen und verbogen. Deshalb malte er ihnen keine Welt in Rosa, in der allen Tugendhaften die Belohnung sicher ist. Er zeigte ihnen das Leben in der Großstadt mit allen Ungerechtigkeiten. Er traute ihnen zu, diesen Anblick zu ertragen. Er appellierte an die Kinder, sich nicht ducken zu lassen. Er forderte von ihnen Wahrhaftigkeit und mit Schicksalsschlägen und mit den verbiesterten Erwachsenen tapfer und aufrecht fertig zu werden. Und gleich im »Emil« machte er ihnen vor, was Freundschaft und Solidarität bedeuten. Ja, er war ein Moralist und hob den Zeigefinger und sagte den Kindern klipp und klar, was die Moral von der Geschieht war. Aber die Kinder verstanden und liebten ihn sofort.
    In den zwanziger Jahren hatten sie auch noch nicht viel anderes zu lesen, und erst mit Kästner begann die deutsche Kinderliteratur gleichzeitig unterhaltsam zu werden und in der sozialen Wirklichkeit zu spielen, in der ihre Leser lebten.
    So wurde Kästner von allen gelesen, auch von den Jungen, die später in der HJ- und SA-Uniform steckten. Als Erich Kästner 1934 zum ersten Verhör in die gefürchtete Prinz-Albrecht-Straße, das Hauptquartier der Gestapo, bestellt wurde, begrüßten ihn dort die SS-Leute mit dem Ruf: »Ach, da kommen ja Emil und die Detektive!« Das wird halb Hohn, halb aber auch widerwillige Bewunderung und unauslöschliche Zuneigung gewesen sein. Denn wenn Kästners Bücher auch schon 1933 verbrannt worden waren, so zeigt gerade dieser Ausruf, daß man den Geist der Dichtung, die Erinnerung an Gestalten wie Emil oder Pünktchen und Anton niemals verbrennen kann. Darauf hatte Erich Kästner auch vertraut. Er erhielt in den Jahren des Nationalsozialismus Schreibverbot, aber nach dem Kriegsende begann er, der Satiriker und bitterböse Zeitdichter, mit ungebrochenem Optimismus erneut für Kinder zu schreiben. Er wußte, daß er keinen in der Wolle gefärbten Nazi wirklich ändern konnte. Deshalb richtete er seine ganze Kraft und Phantasie auf die Kinder und ihre Literatur. Er gehörte zu den Gründern des Internationalen Kuratoriums für das Jugendbuch, denn er sah in den Büchern die einzigen zuverlässigen Brücken der Verständigung zwischen den Nationen. Seine Bücher gehörten zu den besten: Sie wurden in fast alle Sprachen übersetzt, und so lernten zum Beispiel amerikanische Kinder mit »Emil« Deutsch.
    Kästner hat nicht nur seine eigenen Schallplatten besprochen, sondern auch bei den Filmen nach seinen Kinderromanen die Drehbücher oder die Dialoge geschrieben. Er war ein Profi, und er wollte nur die beste Ware für die Kinder liefern. Die letzten Kinderromane schrieb er 1963 und 1967 für seinen Sohn Thomas: »Der kleine Mann« und »Der kleine Mann und die kleine Miss«. 1974 starb er in München, wo er seit 1946 gelebt hatte. 1954 ist die Erzählung von den Schildbürgern erschienen, und das ist in der Tat ein ganz eigenes Stück Kästner-Literatur geworden, nicht nach-, sondern neu erzählt. Denn Kästner rettet die Ehre der seit Ewigkeiten als dumm, erzdumm, strohdumm verspotteten Schildbürger. Er läßt sie in Wirklichkeit so gescheit sein, daß alle Könige und Kaiser ihren Rat und sie selber zu sich holen – und in Schilda bleibt die Arbeit liegen, strecken die Kinder den Erwachsenen die Zunge heraus und streiken die Frauen. So müssen die Klugen aus Weisheit die Dummen spielen, und schon haben sie wieder ihre Ruhe, die Welt ist in Ordnung, und wer über die Streiche der Schildbürger lacht, muß sich eigentlich selber an die Nase fassen!
    Dr. Sybil Gräfin Schönfeldt
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