Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
militärischem Gruß das Zimmer verlassen, aber die Türe war fest verschlossen und gab seinen Anstrengungen, sie zu öffnen, nicht nach. Er wandte sich an den Kaw-djer.
    – Ich glaube, ich bin in eine Falle geraten, sagte er sehr beunruhigt.
    – Sie gestatten mir wohl, diese Bemerkung belustigend zu finden, sagte der Kaw-djer ironisch. Dieses Wort wäre wohl eher auf die Art Ihres Eindringens auf der Insel anwendbar. Seit wann überfällt man zur Friedenszeit mit den Waffen in der Hand Freundesland?«
    Der Offizier errötete leicht.
    »Sie wissen ja, Herr Gouverneur, sagte er verlegen, die Begründung dieses sogenannten Überfalles. Weder meine Regierung noch ich selbst können dafür verantwortlich gemacht werden, wenn Sie dem unschuldigsten Ding in der Welt einen unschönen Namen geben.
    – Meinen Sie? antwortete der Kaw-djer ruhig. Können Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß die Regierung von Chile kein anderes Ziel vor Augen hat als das von Ihnen bezeichnete? Eine Garnison kann Schutz, aber auch Drohung, Gewalt bedeuten. Könnte diese Garnison, die Sie hierherführten, nicht auch die Mission haben, Chile ihre tatkräftige Unterstützung zu leihen, falls es ihm in den Sinn käme, den Vertrag vom 26. Oktober 1881, dem wir unsere Unabhängigkeit verdanken, zu bereuen?«
    Wieder errötete der Offizier und jetzt stärker als das erste Mal.
    »Es steht mir nicht zu, sagte er endlich, Befehle meiner Oberen zu kritisieren. Meine Pflicht besteht einzig und allein in blinder Ausführung.
    – Da haben Sie recht, sagte der Kaw-djer; aber auch ich habe Pflichten zu erfüllen, die durch die Interessen des Volkes bedingt sind, das sich meinem Schutze anvertraut hat. Ich muß ernstlich mit mir zu Rate gehen, ehe ich eine Entscheidung treffe.
    – Ich widersetze mich dem auch gar nicht, erwiderte der Offizier. Glauben Sie mir, Herr Gouverneur, ich werde in aller Ruhe Ihren Entschluß zur Kenntnis nehmen und ihn geduldig erwarten!
    – Das genügt nicht, sagte der Kaw-djer. Sie müssen ihn hier abwarten!
    – Hier?… Betrachten Sie mich vielleicht als Ihren Gefangenen?
    – Jawohl,« erklärte der Kaw-djer.
    Der chilenische Offizier zuckte die Achseln.
    »Sie vergessen, rief er und machte einen Schritt zum Fenster, daß ich nur zu rufen brauche…
    – Versuchen Sie es!… unterbrach ihn der Kaw-djer und versperrte ihm den Weg.
    – Wer wollte mich daran hindern?
    – Ich!«
    Aug’ in Auge standen die beiden Männer einander gegenüber wie kampfbereite Gegner. Nach einer langen Pause trat der Offizier zurück. Er fühlte, daß er trotz seiner jugendlichen Kraft dem athletischen Körperbau des Greises nicht gewachsen sei, dessen ehrfurchtgebietende Haltung ihn überdies einschüchterte.
    »So, sagte der Kaw-djer, nehmen wir wieder unsere frühere Stellung ein und jetzt erwarten Sie geduldig meine Antwort.«
    Der Offizier stand bei der Eingangstüre und war bemüht, seiner Unruhe Herr zu werden und ein möglichst gleichgültiges Aussehen zu zeigen. Ihm gegenüber, zwischen beiden Fenstern, war der Kaw-djer bald so in seine Gedanken vertieft, daß er die Anwesenheit seines Gegners vergessen hatte. Mit Ruhe und Klarheit überlegte er, was zu tun sei.
    Die Beweggründe Chiles vor allem. Sie waren leicht zu erraten. Daß die Garnison helfen sollte, die Unruhen zu unterdrücken, war natürlich eitler Prätext. Eine aufgezwungene militärische Protektion sieht einer Annexion zu ähnlich, daß sich der Kaw-djer hätte täuschen lassen. Aber wie konnte Chile sein gegebenes Wort brechen! Es mußte dabei ein bestimmtes Interesse verfolgen; worin bestand dies aber? Das Emporblühen der Insel Hoste konnte nicht der alleinige Grund sein; trotz des unleugbaren Fortschrittes, den die Hostelianer bewerkstelligt, konnte nichts die Annahme rechtfertigen, daß die Republik Chile die Gebietsabtretung jemals bedauert hatte. Es konnte sich nur zu dieser großmütigen Handlung Glück wünschen! Es hatte aus dem Emporblühen der Kolonie nur Vorteile gezogen, denn es war naturgemäß ihr Hauptlieferant. Aber es war ein neuer Faktor auf dem Schauplatz aufgetaucht! Die Entdeckung der Goldmine änderte alles! Nachdem es sicher war, daß die Insel Hoste reiche Schätze dieses edlen Metalles barg, wollte Chile seinen Anteil haben und bedauerte sein vorschnelles Handeln von einst. Das war klar!
    Und jetzt hatte die chilenische Regierung ein Ultimatum gestellt und es galt, eine Entscheidung zu treffen und die richtige Antwort darauf zu finden.
    Sollte man
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher