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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
Autoren: Jules Verne
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Gegenstände zum Leuchtturm hinauszutragen und seinen künftigen Aufenthaltsort genau zu untersuchen. Alles war vollendet, die Maschinen in bester Ordnung, der Wohnraum mit allem Nötigen versehen. Vom materiellen Standpunkt aus betrachtet, mußte es ihm leicht werden, hier zu leben: die Vorratskammern waren wohl gefüllt, außerdem konnte er sich Seevögel schießen, so viel er begehrte, und der Samen, den er in den geschützten Stellen der Felsen aussäen wollte, würde auch aufgehen und hundertfältige Frucht tragen.
    Gegen Abend, als seine Einrichtungen beendet waren, trat er hinaus. In der Nähe der Türe lag ein Haufen Steine, die man seinerzeit beim Aufführen der Grundmauern entfernt und hier liegen gelassen hatte.
    Ein solcher Stein fesselte seine Aufmerksamkeit, er war bis an den Rand des Plateaus gerollt. Ein Fußstoß genügte, um ihn ins Meer zu schleudern.
    Der Kaw-djer näherte sich und ein Ausdruck des Hasses und der Verachtung belebte seine Züge…
    Er hatte sich nicht getäuscht. Glänzende Adern durchzogen das Gestein – es war goldführender Quarz. Vielleicht enthielt er ein Vermögen und die Arbeiter waren achtlos daran vorbeigegangen. Nun lag er da wie ein ganz wertloses Objekt.
    Selbst bis hierher verfolgte ihn das verfluchte Metall!… Vor seinen Blicken erstanden wieder die Greuelszenen, die sich auf der Insel Hoste abgespielt hatten, der Wahnsinn der Kolonisten, das Herbeiströmen von Abenteurern aus allen Teilen der Erde… der Hunger… das Elend… das Verderben…
    Mit einem heftigen Tritt schleuderte er den kostbaren Block ins Wasser, zuckte gelassen die Achseln und wanderte dann bis zur äußersten Spitze des Vorgebirges.
    Hinter ihm ragte die gewaltige Eisenkonstruktion in die Luft, die an ihrem höchsten Punkte die Laterne trug, welche heute zum ersten Male mächtige Lichtgarben über die Meere werfen und den Schiffen auf ihrem Weg leuchten sollte.
    Des Kaw-djers Blicke überflogen den weiten Horizont. Er stand nicht zum ersten Male auf dieser Stelle, am Ende der bewohnten Welt. Vor dreizehn langen Jahren hatte er auch von hier aus in die Ferne geschaut… es war Abend gewesen und der Notschuß des »Jonathan« drang unheilverkündend durch das Heulen des Orkans an sein Ohr. Welch eine Erinnerung!…
    Heute war kein Schiff auf der Wasserfläche vor ihm zu sehen, der Blick erschaute nur das unendliche Meer. Und hätte sein Auge auch die Scheidewand durchdringen können, die das auf den Wassern ruhende Firmament ihm gezogen, er hätte auch kein Leben entdeckt. Dort lag in weiter, weiter Ferne – die von Rätseln umschleierte antarktische Welt, eine kalte Eisregion, in der kein Lebewesen gedeihen konnte.
     

    Ernst blickte ihr der Kaw-djer nach… (S. 519.)
     
    Er stand an der äußersten Grenze, das Ende war erreicht. Ein dunkler Weg hatte ihn hergeführt. Und doch hatte er nicht die gewöhnlichen kleinlichen Sorgen und Leiden, die das Menschenleben mit sich bringt, erduldet. Er war der Urheber und das Opfer seiner Qualen. Es war in seiner Hand gelegen, einer der Glücklichsten auf dieser Erde zu sein, einer der Mächtigen, vor denen sich die Stirnen vieler beugen – und er hatte vorgezogen, seine Tage auf einem in einer Wasserwüste verlorenen Felsen zu beschließen!…
    Aber er hätte übrigens nirgends die Kraft gehabt, die Lasten des Lebens zu ertragen. Die ergreifendsten Dramen spielen sich im Gedankenkreis, im Empfinden jedes einzelnen ab. Für denjenigen, der sie durchgemacht hat, der ermattet und mutlos aus dem Kampfe hervorgeht, gibt es keinen anderen Ausweg als den Tod oder das Kloster. Der Kaw-djer hatte das letztere gewählt. Dieser Felsen war eine Zelle mit unübersteigbaren Mauern.
    Er hätte ein besseres Schicksal verdient! Wir sterben, aber unsere Taten sterben nicht, sie überleben uns in ihren Folgezuständen. Wir sind Wanderer, deren Schritte auf dem Lebenspfade unverwischbare Spuren zurücklassen. Nichts geschieht, was nicht infolge der Vorbedingungen geschehen mußte, und die Zukunft baut sich auf den Ausläufern der Vergangenheit auf.
    Wie immer diese Zukunft sein mochte, wenn auch das Volk, das er geschaffen hatte, nach einer ephemeren Existenz von der Erde verschwinden sollte, wenn die Erde selbst zerstört werden und in der Unendlichkeit des Kosmos aufgehen sollte – das Werk des Kaw-djer konnte nicht mehr ungeschehen gemacht werden, es lebte für ewige Zeiten fort…
    Wie eine hohe Säule stand der Kaw-djer regungslos auf der Höhe der Klippe, die
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