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Die Scheune (German Edition)

Die Scheune (German Edition)

Titel: Die Scheune (German Edition)
Autoren: Marion Schreiner
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zu Hause, sondern im Krankenhaus“, erleichterte ich mich endlich.
    „Was??“, hörte ich Johnathan prusten. Ich konnte mir das bleiche Gesicht am anderen Ende der Leitung vorstellen. Es war sicherlich das gleiche wie meines vor wenigen Stunden.
    „Es wäre gut, wenn du vorbeikommen könntest. Jemand hat ihm heute Nacht übel mitgespielt.“ Ich schluckte und legte eine kurze Pause ein. Ich dachte widerwillig an die Sekunden, die ich wie gelähmt neben ihm gesessen hatte. Ich hatte das Blut meines Freundes gesehen, ihm die aufgeplatzte Wange gestreichelt, das zugeschwollene Auge betastet und vielleicht in diesem Moment mehr Schmerzen gehabt als er. Dann hatte ich noch etwas anderes gesehen. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort gesessen und ihn angeschaut habe, ob es Sekunden oder Minuten gewesen waren, mit seinem Leben gespielt, bis mir der Gedanke an Hilfe kam. Kaum zu glauben als Arzt. Im Nebenraum hatte ich das Telefon gefunden, mit dem wohl der Anruf vor weniger als einer Stunde bei mir eingegangen war.
    „Johnathan? Es sieht nicht so gut aus.“
    Stille. Ich besaß in der Regel ein ausgesprochen gutes Einfühlungsvermögen, um mit Situationen wie diesen umzugehen. Doch diesmal ging es um meinen besten Freund.
    „Johnathan, du solltest sofort kommen. Ich gehe jetzt mit ihm in den OP-Saal. Komm auf die Intensiv und warte dort auf mich.“ Ich wartete die Antwort nicht ab, schmiss den Hörer auf die Gabel und musste wieder schlucken. Es hätte so viele treffen können – Menschen, die es wirklich verdient haben, aber Dane konnte es nicht verdient haben. Nein. Dafür war er viel zu gewitzt und klug. Und zu nett.
    Alleingelassen hielt Johnathan immer noch den Hörer ans Ohr. In Sekunden sah er die fünfzehn Jahre seiner Freundschaft mit Dane an sich vorüberziehen: wie sie das Lokal hergerichtet hatten, wie ihnen nie die Laune ausgegangen war, nie der gute Glaube an das, was sie taten. Hitze und Kälte überkam ihn, Wut und Angst. Mit endlosen Fragen allein gelassen, saß er da. Schlimm? Wie schlimm konnte es denn sein? Jim? Er war für all die Fragen nicht mehr am Telefon. Abwesend legte Johnathan den Hörer auf die Gabel und begann langsam nach dem Schlüssel seines Wagens zu suchen.
     
     
    1979. Vierzehn Jahre früher.
    Glendale / Kalifornien. Dane, 24 Jahre.
    Dane lag mit offenen Augen im Bett und konnte wieder nicht schlafen. Er hatte sich gestern eine Waffe gekauft. Es war Zeit für die Offensive. Sein Plan sollte sich so gestalten, dass er den Lochschaufler zunächst ganz nah an sich heranlocken wollte. Ein paar passende Worte an ihn würden nicht schaden. Dane beschloss, das Running Horse nicht mehr zu verlassen. So konnte ihm der Lochschaufler in der Öffentlichkeit nicht auflauern. Der würde ihn irgendwann vermissen und gezwungen sein, das Lokal zu betreten. Dann würde er ihm ganz nahe sein und neue Spielregeln verkünden.
    Dane übertrug Johnathan die Aufgaben des Einkaufs und sonstiger Erledigungen, die tagsüber anfielen, während er sich mit allen schriftlichen Aufgaben im Büro auseinandersetzte.
    Johnathan begrüßte die neue Arbeitsaufteilung. Ihm lagen die schriftlichen Abwicklungen des Geschäfts nicht besonders.
     
     
    1993. Vierzehn Jahre später.
    Glendale / Kalifornien. Dane, 38 Jahre.
    Im Cedars Sinai Medical Center herrschte wie jeden Tag in der Eingangshalle reges Treiben. Nichts deutete auf irgendetwas Schreckliches hin. Die Schwestern an der Aufnahme telefonierten freundlich oder erledigten Formulare. Ein paar Kinder mit verbundenen Armen oder Beinen saßen gelangweilt neben ihren Müttern im Wartezimmer der Ambulanz.
    Johnathan mochte keine Krankenhäuser. Für ihn hatten sie so etwas Endgültiges. Der Geruch von Desinfektionsmitteln bohrte sich in seine Nase. Er suchte sich den Weg durch die Menschenmassen, die hier täglich ein und aus gingen. Um sich blickend, fand er die große Informationswand, blieb stehen und las:
    Intensivstation 5. Etage Gebäude B 1
    Er fand rechts den Aufzug. Der kam schnell und leise. Johnathan trat ein, und summende Geräusche signalisierten seinen Transport in die 5. Etage. Die Türe öffnete sich wieder.
    Vor ihm breitete sich die Stille der Intensivstation aus. Ein Geräusch unweit des Aufzug ließ auf das Rascheln von Papier schließen. Johnathan suchte nach Hilfe. Ihm fiel das große Schild
    UNBEFUGTEN   ZUTRITT   VERBOTEN
    ins Auge. War er unbefugt?
    Eine große, kräftige Schwester kam auf ihn zu und sagte: „Entschuldigen Sie,
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