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Die Schatzhöhle

Die Schatzhöhle

Titel: Die Schatzhöhle
Autoren: Berndt Guben
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eifrig.
    »Ich freue mich, daß Ihr so mutig seid. Wir werden die Eindringlinge gemeinsam verjagen.«

    6

    Taitscha saß Stunde um Stunde neben ihrem Gefangenen. Jede seiner Bewegungen beobachtete sie, und wenn er zu sprechen anhub, lauschte sie der angenehmen Stimme, obwohl sie die Worte nicht im mindesten verstand.
    Fernando de Navarra hatte sich von dem Schlag mit der schweren Keule soweit erholt, daß er seine Gliedmaßen nach freiem Willen bewegen konnte. Nur der Druck im Schädel, ein ständiges Brummen und Sausen, ein Schmerz wie von tausend Nadeln blieb. Körperlich hätte er wohl an eine Flucht denken können; aber geistig war er noch zu erschöpft.
    Zudem war da dieses Mädchen, das ihn unverwandt anstarrte. Immer öfter ertappte er sich dabei, daß auch seine Augen zu ihr wanderten. Ihre Gegenwart, ihr Vorhandensein war vielleicht das einzige, was sein Gehirn in diesen Stunden wirklich registrierte.
    Er vernahm nicht einmal das Geschrei und den Tumult, der von draußen hereindrang, als der Pfeifer, Ojo und Mutatulli erschienen.
    Als die drei das wellige Land hinter sich hatten und an das Ufer des Sees gelangten, blieben Michel und Ojo mit einem Ausruf des Entzückens stehen.
    »Wie im Paradies«, murmelte der große Spanier in seinen dichten Bart, und der Pfeifer nickte zustimmend.
    »Es wäre ein Paradies geblieben«, schaltete sich Mutatulli ein, »wenn wir es nicht entdeckt hätten.«
    »Keine Angst«, meinte Michel, »wir werden den paradiesischen Frieden nur dieses eine Mal
stören, um diediesjährige Muskatnußernte für uns zu erhalten. Nie wieder wollen wir dieses
Eiland betreten.«
Mutatulli verzog den Mund und schwieg.
Sie gingen weiter und erreichten die Pfahlstadt.
    Zuerst nahmen sie wahr, wie aus den Hütten neugierige Augen auf sie blickten; aber es ließ sich kein Mensch außerhalb seiner Behausung sehen. Wären die Augen nicht gewesen, hätte man denken können, die Stadt im Wasser sei ausgestorben. Kein Atmen, kein Husten, nicht einmal der Schrei eines Babys war vernehmbar.
    »Meint Ihr, daß sie Angst vor uns haben, Mutatulli?« fragte Michel.
    »Das wohl auch; aber sie sind von Natur scheu. Audi bei mir zu Hause waren die Menschen
gegen Fremde nie besonders vertrauensselig. Und haben sie nicht recht mit dieser Einstellung?«
»Wie finden wir den Häuptling?«
Mutatullis Blicke glitten über die Hütten.
    »Wir müssen das schönste und größte Haus suchen, glaube ich, Sir. Auch die Häuptlinge von Naturvölkern haben etwas Ähnliches, wie es eure Würdenträger in den Ländern der Weißen besitzen und dort Repräsentanz nennen.«
    Michels Augen erfaßten einen Steg, der breiter war als die übrigen. An seinem Ende, am weitesten draußen im See, lag die größte Hütte. Das mochte der Palast des Regenten sein. Michel, der seine Villaverdische Muskete in der Rechten hielt, wies mit ihrem Lauf dorthin und sagte: »Versuchen wir es dort.«
    Seine Begleiter nickten. Sie gingen auf den Steg zu. Michel hatte noch keine zwei Meter in Richtung auf den »Palast« zurückgelegt, als mit einem Schlage vielfältiges Leben in das Dorf kam. Es war, als hätten die Eingeborenen in ihren Hütten nur darauf gewartet.
    Auf allen Stegen, vor jedem Haus, überall wimmelte es durcheinander. Kanus schössen, von flinken Ruderschlägen getrieben, auf den Hauptsteg zu. Die Insassen schwangen sich hinauf und sammelten sich dort in beängstigender Menge. Es war staunenswert, wieviel Menschen die rohgefügten Planken tragen konnten, ohne zusammenzubrechen.
    Der Lärm breitete sich über den ganzen See aus wie das Tönen einer großen Orgel.
    »Was soll das nun bedeuten?« fragte Michel. »Ist das eine Huldigung oder soll man es als Drohung auffassen?«
    Mutatulli kannte natürlich die Bräuche dieses Volkes ebensowenig wie Michel. Um erkennen zu können, was sich hier anbahnte, betrachtete er sich die vielen Gesichter.
    Stand Haß in ihnen? War das Verdrehen der Augen, und das weiße Leuchten der Augäpfel ein
Zeichen der Freude oder Drohung?
Mutatulli zuckte die Schultern.
»Ich weiß es, offen gestanden, auch nicht. Wir könnten einen Versuch machen, könnten auf dem
Wege zum Häuptlingshaus weitergehen und sehen, ob sie uns Platz machen werden. Wenn sie es
aber falsch auffassen, so---«
»Ob sie Gift kennen und vergiftete Pfeile?« fragte Michel.
»Wer weiß.«
»Was würdet Ihr vorschlagen?«
    »Gehen wir an Land, setzen uns dort auf den Boden,zünden unsere Pfeifen an und warten. Die Neugier der Leute wird
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