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Die scharlachrote Spionin

Die scharlachrote Spionin

Titel: Die scharlachrote Spionin
Autoren: Andrea Pickens
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räusperte sich plötzlich. »Darf ich noch ein paar vertrauliche Worte mit Sofia sprechen, bevor Sie sich mit ihr zurückziehen?«
    »Es handelt sich um eine dringliche Angelegenheit, Osborne«, meinte Lynsley spöttisch. »Ich habe dem Minister zugesagt, dass der Bericht binnen einer Stunde vorliegt. Kann Ihr Anliegen nicht bis morgen warten?«
    »Nein, es kann nicht warten«, beharrte Osborne, »es ist ebenfalls dringlich.«
    »Nun gut.« Der Marquis zögerte, schenkte Sofia ein väterliches Lächeln. »Sieht so aus, als würde ich abermals eine meiner besten Agentinnen verlieren. Ihre Zimmergenossinnen haben durch die Eheschließung eine Familie gegründet. Sie hingegen ...«
    Osborne hustete. »Sir.«
    »Zehn Minuten, Osborne!« Es mochte sein, dass es nur am flackernden Kerzenlicht lag, aber Sofia bildete sich ein, dass er ihr zuzwinkerte. »Es können auch fünfzehn sein ...«
    »Dann bleibt mir nicht viel Zeit.« Osborne zuckte zusammen, als er zu lächeln versuchte.
    Er konnte sich nicht daran erinnern, wie er sich die Lippen zerschnitten hatte. Inzwischen gab es nur noch wenige, dafür aber kostbare Teile seiner Anatomie, die nicht mit Schürfwunden oder Prellungen übersät waren. Alles tat ihm weh ... aber der stärkste Schmerz saß in seinem Herzen, wenn er sich ins Gedächtnis rief, wie wenig gefehlt hatte, und er hätte Sofia für immer verloren.
    »Ganz zuerst möchte ich mich bei dir bedanken, dass du mir den Hals gerettet hast«, begann er.
    Sofia wich seinem Blick aus. »Ich habe dir nur den Gefallen erwidert.«
    Ihr Tonfall - sie klang so kühl, so lässig - jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Wollte sie ihm etwa bedeuten, dass sie nichts anderes als nur ihren Job erledigt hatte? Das hieß, dass es nicht leicht werden würde. Osborne war sich nicht sicher, dass er den Mut aufbrachte, sich so verwundbar zu machen.
    Feigling! Offenbar war es tatsächlich Sofia, die den unbezähmbaren Willen eines wahrhaften Kriegers besaß ... ganz zu schweigen von dem sinnlichen Körper einer leidenschaftlichen Frau. Schönheit und Verstand - eine unwiderstehliche Kombination. Er hatte sein Herz und seine Seele an sie verloren. Und nun musste er irgendwie die Kraft aufbringen, ihr zu sagen, wie sehr er ihre Überzeugungen und ihren Mut bewunderte.
    Wie sehr er sie liebte.
    Liebe. Das war kein Wort, welches er schon oft ausgesprochen hatte; ihm fehlte schlicht die Erfahrung. Wie viele andere Phrasen glitten ihm umstandslos über die Zunge; gleichgültig, ob Kunst, Poesie, Politik oder Mode, es gab kein Thema, zu dem die Salongesellschaft ihn nicht um seine fundierte Meinung bat. Auf den charmanten, scharfsinnigen Deverill Osborne konnte man sich immer verlassen. Auf sein fröhliches Gelächter. Nur ... jetzt wünschte er sich nichts anderes, als bitter ernst zu sein. Über lange Jahre hatte er sich gefragt, wer er wirklich war, was er wirklich wollte. Plötzlich schien ihm die Antwort klar vor Augen zu stehen.
    »Sofia. Bitte schau mich an«, sagte er.
    Sie hatte den Kopf ein wenig zur Seite geneigt; ihre wundervollen Gesichtszüge waren mit Ruß und Schürfwunden übersät. Osborne lehnte sich näher zu ihr. Sein Anblick spiegelte sich im silbernen Tafelleuchter, der auf dem Tisch stand, und er musste feststellen, dass er noch schlimmer aussah als sie. Unwillkürlich musste er lachen. »Du liebe Güte, wir geben wirklich ein herrliches Paar ab!«
    Endlich. Die Bemerkung entlockte Sofia ein Lächeln. »Die Salons wären entsetzt! Wir haben sämtliche Regeln des Anstands gebrochen und uns keineswegs so verhalten, wie es sich ziemt. Und anderes mehr, wie ich vermute.«
    »Aber wir haben die Mission hinter uns gebracht.«
    »Trotzdem gibt es einen Unterschied«, flüsterte Sofia, »ich habe nur meine Pflicht getan, während du ... Ich hätte es niemals zulassen dürfen, dass du dein Leben riskierst!« Ihre Unterlippe zitterte, während sie sprach, das erste Anzeichen, dass sie ihre Gefühle nicht richtig beherrschen konnte.
    Das kleine Zeichen machte ihm Mut, einen Schritt weiterzugehen. »Ist es mir nicht gestattet, selbst die Entscheidung zu treffen? Du hast es doch auch getan. Mag sein, dass meine Fähigkeiten nicht so gründlich ausgebildet sind wie deine, aber wer weiß, mit ein wenig mehr Übung ...« Osborne hielt inne, um Atem zu schöpfen. »Nebenbei, muss eigentlich jeder Mann erst eine Feuerprobe bestehen, bevor er die Hand eines Merlins gewinnen kann?«
    Die Frage schien sie aus der Bahn zu werfen.
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