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Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
Autoren: Sophie Seeberg
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Pumuckl-Geheule und erreichte eine Lautstärke, die Meister Eders Brille und alle Scheiben seiner Schreinerei zum Splittern gekreischt hätte.
    Ich empfand das Ganze kurioserweise fast als angenehme Pause vom ewig gleichen freundlichen Singsang des Vaters, hätte das Ganze nicht über gefühlte 130  Dezibel verfügt.
    So war es aber einfach nur laut. Sehr laut.
     
    Es war beeindruckend, welche Ausdauer die beiden Kinder hatten. Leonce, der schon seit einer ganzen Weile mit unverminderter Frequenz und Heftigkeit seinen Vater mit Tritten und Schlägen bearbeitete, und Lena, die ihre neue Heul-Lautstärke scheinbar mühelos halten und gleichzeitig eine Schere zum Zerschneiden ihres Eisbärkostüms suchen konnte.
    Die Ruhe oder, besser: Apathie des Vaters fand ich dagegen nicht beeindruckend, sondern lediglich situationsunangemessen.
    Herr Wischnewsky stand da und bewegte hin und wieder die Lippen. Ich gehe davon aus, dass er »Leonce … Lena … Wie fühlt ihr euch?« sagte oder wahlweise ein gemeinsames Spiel vorschlug.
     
    Zwanzig Minuten später notierte ich:
    Lena: Eisbärkostüm an Armen und Beinen in Fetzen geschnitten, danach ausgezogen und dem Vater an den Kopf geworfen. Sitzt auf dem Sofa und schneidet Löcher in ihre Socken.
    Leonce: Spuckt Vater an, beschimpft ihn als Blödsack und Arschleuchter, läuft ins Kinderzimmer.
    Vater: Steht da, geht schließlich Leonce hinterher.
     
    Im Kinderzimmer hatte Leonce das Fenster geöffnet und warf nach und nach alle Dinge, die sich für ihn in Reichweite befanden, aus demselben. Unter anderem mehrere Wickie-Figuren, einen großen Teddybären, zwei Dinosaurier, eine Barbiepuppe und eine Tafel Schokolade. Lena drängelte sich an mir vorbei ins Zimmer, kreischte und … machte begeistert mit.
    Es dauerte eine Weile, bis Herr Wischnewsky auf die Idee kam, statt des vollkommen ineffektiven »Leonce … Lena …«-Singsangs endlich das Fenster zu schließen.
    Herr Wischnewsky seufzte: »Leonce … Lena … Wie fühlt ihr euch? Hm …? Leonce, sag mal. Wie fühlst du dich? Hm …? Lena …?«
     
    Ich notierte höchst unprofessionell: »Vater: Ständiges Wiefühlstdudich-Gefrage! Bestimmt von www.sinnloseErziehungstipps.com !!«
     
    » FÜHL DICH DOCH SELBST !«
    Lena warf eine Packung Buntstifte nach dem Vater. Leonce, der ohnehin noch ein großes Spielzeugfeuerwehrauto in der Hand hatte, das er nicht mehr hatte aus dem Fenster werfen können, griff die Idee seiner Schwester auf und traf sogar. Direkt zwischen die Beine seines Vaters. Lena rutschte kichernd an der Wand entlang zu Boden.
    Ich machte einen Schritt zurück, bloß raus aus der Wurflinie!
    »Herr Wischnewsky, ich schlage vor, dass wir die Interaktionsbeobachtung auf einen anderen Tag verschieben und ich jetzt mit Ihren Kindern spreche. Sind Sie damit einverstanden?«
    Das war eine rein rhetorische Frage. Ihm war deutlich anzusehen, dass er jetzt wirklich gerne alleine wäre, vielleicht um in Ruhe vor sich hin zu starren, oder so. Bestimmt würde er auch ein wenig mit sich selbst reden und sich in monotoner Freundlichkeit fragen, warum er seinen Kindern weder Halt und Struktur bieten konnte und wie er sich dabei so fühle …
     
    Ich schloss die Tür des Kinderzimmers hinter Herrn Wischnewsky und setzte mich im Schneidersitz auf den Boden. Leonce setzte sich in einigem Abstand neben mich. Lena saß auf ihrem Bett und grinste.
    »Sagt mal, ist das immer so, wenn ihr bei eurem Vater seid?«
    Lena kicherte, und auch Leonce prustete los: »Neeeeeeheee …! Bloß manchmaaaaaaal … Wenn der Papa so blööööööd ist.«
    Dann wurde Leonce ernst. Er wirkte plötzlich erschöpft. »Der Papa war heute noch viel, viel, viel blöder als sonst. Da bin ich ausgerastet.«
    »Ich auch!«, warf Lena ein. »Aber das mit dem Sachen aus dem Fenster werfen, das machen wir oft. Das finden wir lustig. Und das hilft auch immer.«
    Ich ahnte, wobei das half, fragte aber nach.
    Lena antwortete begeistert: »Das war meine Idee! Schlau, gell? Wenn der Papa was nicht will, was wir wollen, dann werfen wir unsere Sachen aus dem Fenster. Und dann macht der Papa das doch so, wie wir das wollen. Und das sind ja auch nicht richtig unsere Sachen. Wir haben unsere Sachen ja bei der Mama. Das hier sind so Papa-Sachen.«
    »Ja, der steht auf Wickie und kauft uns immer so blöde Figuren. Ich will die gar nicht.«
    »Aber die Barbie ist schon cool. Na ja, da kauft der Papa dann eine neue, wenn die weg ist.«
    »Ja, und neue Dinos!
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