Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers
Autoren: Christian Ritter
Vom Netzwerk:
Bahnen verlaufen. Ein Grund zum Feiern, zusätzlich zum Geburtstag.
    »Jetzt müssen Sie sich aber die Hand geben«, sagt Günther Jauch, der zwischenzeitlich aufgestanden ist und nun mahnend vor mir steht.
    »Na, meinetwegen«, sage ich und verzeihe Herrn Müller sein Lügenkonstrukt mit einem sehr festen Handschlag.
    »So ist es brav«, sagt Herr Jauch. »Wollten Sie vorhin nicht noch etwas für mich holen? Ich musste doch die Augen zumachen.«
    Woran sich der Mann so alles erinnert. Dass er daran noch denkt nach der ganzen Aufregung.
    Etienne ist mittlerweile zu einem vertraulichen Gespräch mit Heidi Klum übergegangen. Sie sitzen nebeneinander und stecken die Köpfe zusammen, sie wirkt plötzlich ganz ernsthaft und nickt andauernd, während er ihr was ins Ohr flüstert, dann wechseln sie die Rollen, und Heidi Klum beginnt zu flüstern. Als ich nach drinnen gehe, um die Überraschung für Herrn Jauch zu holen, verlangsame ich meinen Schritt aus Neugier ein wenig, um aufschnappen zu können, was sie miteinander zu tuscheln haben. Heidi sagt soeben: »Einfach jeden Tag eine Stunde ins Fitnessstudio, und in vier Wochen schickst du mir Bilder. Dann kann gar nichts schiefgehen, und du hast den Job.« Ich schätze mal, dass es ums Modeln geht. Das wäre ein wirklich gutes Geschenk.
    Freitag, 1.23
    »Das wird jetzt aber nicht so eine peinliche Einlage wie sonst gern auf runden Geburtstagen?«, fragt Herr Jauch und sieht uns hoffnungsvoll an. Katja, Herr Müller und ich haben uns vor ihm aufgebaut, um ihm seine Überraschung zu überreichen. Auf seine Bemerkung hin räuspert sich Herr Müller mahnend, und ich lasse den Zettel mit der vorbereiteten gereimten Ansprache umgehend wieder in meiner hinteren Hosentasche verschwinden.
    »Nein, nein, natürlich nicht«, sage ich.
    Schade irgendwie, wir haben ganz schön lange gebraucht, um sinnvolle Reime auf Begriffe wie »Fernsehstar«, »Kühe reiten« und »Strumpfträger« zu finden.
    »Herr Jauch«, beginnt Katja die Ansprache nun aus dem Stegreif.
    »Wir haben uns sehr gefreut, Sie entführen zu dürfen. In ein paar Stunden ist unsere gemeinsame Zeit leider schon wieder vorbei. Uns hat es sehr mit Ihnen gefallen, und ich hoffe, Ihnen auch mit uns.«
    »Das ist, denke ich, offensichtlich«, sagt Herr Jauch und nippt an seinem Batida de Coco. Heidi Klum versucht sich wieder im abrupten Anklatschen, und diesmal machen die anderen mit.
    Nach dem Zwischenapplaus übernimmt Herr Müller: »Erinnern wir uns, wie das alles angefangen hat. Paul ist in Ihrer Sendung tragisch gescheitert.«
    Ich finde, so drastisch muss man es nicht ausdrücken.
    »Wirklich, wirklich tragisch. Jeder vernünftige Mensch hätte …«
    »Herr Müller!«, unterbreche ich ihn.
    »Aber ich schweife ab«, fährt er fort. »Im Nachhinein war Pauls Dummheit ein großer Segen für uns alle. Wir haben Sie unter dem Vorwand angelockt, Sie zum Strumpfträger des Jahres zu küren. Das wurde nicht zuletzt durch Etienne ermöglicht, der uns die hübsche Homepage gebaut hat.«
    »Hört hört!«, ruft Heidi Klum und klatscht wieder an. Wieder ziehen die anderen mit.
    Etienne verbeugt sich mit gespielter Arroganz in alle Richtungen.
    Dann bin ich dran:
    »Wir dachten uns, als Abschluss fehlt noch eine Sache. Wir haben ein Geschenk für Sie.«
    »Ohohohoh«, sagt Herr jauch und reibt sich in freudiger Erwartung die Hände.
    »Wir präsentieren«, sage ich, »Ihren Preis. Ein Paar goldene Strümpfe.«
    Katja holt eine Tasche hinter Ihrem Rücken hervor und reicht sie Herrn Jauch.
    »Anziehen! Anziehen!«, ruft Heidi Klum, und wir steigen mit ein.
    »Ich bin es gar nicht gewohnt, alberne Dinge zu tun, wenn ich keine Kamera vor mir habe, aber nun gut«, willigt Herr Jauch ein. Die Erinnerung an unseren Bullriding-Versuch lässt er dabei außen vor. Schon hat er Schuhe und Socken abgestreift.
    Im allgemeinen Trubel kriegt niemand mit, dass Frau Rottenbauer mich am Ärmel zupft.
    »Die Tasche bekommt er aber nicht, Paul, das ist meine.«
    Es ist die PARIS -Tasche, die Frau Rottenbauer im Laden vergessen hatte, wo sie von Etienne gefunden wurde und in den Besitz Herrn Müllers überging, als Etienne sich mit ihm getroffen und ihm die Homepage erklärt hat. Wenn ich so näher darüber nachdenke, hätte ich durch diese Tasche schon früher auf die ganzen Verwicklungen kommen können, nämlich beim Bekanntwerden mit Heidi Klum in Frau Rottenbauers Haus. Nun ja, ich bin kein Detektiv, ich bin Supermarktangestellter. Sei’s
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher