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Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers
Autoren: Christian Ritter
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hier vor, Herr Müller?«
    Herr Müller wird nun doch etwas unsicher. Er versucht, sich mit Blicken in die Runde rückzuversichern, vor allem in Richtung Frau Oberhaid. Sie wiederum sucht den Blickkontakt zu Frau Rottenbauer. Die nickt großmütig, dann nickt auch Frau Oberhaid, und Herr Müller sagt: »In Ordnung. Frau Oberhaid wird es dir erzählen.«
    »Aber«, interveniert Frau Oberhaid, »im Stehen stehe ich das nicht durch. Trinken wir erst mal den Sekt aus und dann machen wir es uns gemütlich. Auf Etchen!«
    Freitag, 0.21
    »Herr Müller kam vor ein paar Wochen zu mir und hat mir Brennholz gebracht«, steigt sie in ihre Erzählung ein.
    Könnte auch ein guter Beginn für einen Porno sein, denke ich spontan.
    »Mein Mann war nicht da, und Etchen hat auf seinem Zimmer Computer gespielt. Da kommt er dann stundenlang nicht raus, wenn er vor dieser Teufelskiste sitzt.«
    Hoffentlich kriegt sie bald die Kurve, denke ich.
    »Wir haben das Holz zusammen in den Keller geschafft, und dabei hat er mir erzählt, dass Paul bald bei Herrn Jauch in der Sendung sein wird. Das habe ich natürlich für mich behalten, weil es irgendwie noch nicht so ganz sicher war.«
    »Es war direkt nach dem ersten Anruf«, ergänzt Herr Müller.
    Von dem ich selbst keinem Menschen außer dir und Katja erzählt habe, denke ich.
    »Als das Holz verstaut war, hatten wir uns schon sehr in unsere Fantasien reingesteigert, was wir selbst mit einer Million anstellen würden. Hach, das war so lustig.«
    Herr Müller nickt zustimmend und breit grinsend.
    »Also hab ich einen Kaffee aufgesetzt, und wir haben ein bisschen weiterpalavert. Dann sind wir irgendwann draufgekommen, dass es ja auch schiefgehen könnte, sogar wenn man in der Sendung landet, und dass das sicher der härteste Schlag wäre, ein Scheitern so kurz vor dem Ziel. Ich war ein bisschen in Plauderlaune und habe dann eben ohne nachzudenken gesagt, dass es in diesem Fall auch noch andere Möglichkeiten gäbe, an sein Geld zu kommen. Ich hab das natürlich sofort bereut, aber Herr Müller wollte wissen, was ich meine, und hat so lange nachgebohrt, bis ich mit der Geschichte rausgerückt bin.«
    »Wäre ich nicht so hartnäckig gewesen, würden wir hier jetzt nicht zusammensitzen«, sagt Herr Müller in Richtung von Herrn Jauch. »Da wäre Ihnen der ganze schöne Urlaub entgangen.«
    »Aber was ist denn nun die Geschichte?«, spielt Herr Jauch den Ball zurück, ganz in meinem Sinne.
    »Dazu komme ich gleich«, macht Frau Oberhaid weiter. »Es ist nun etwa zwanzig Jahre her …«
    »Falsch«, unterbricht Frau Rottenbauer. »Neunzehn, nicht ganz neunzehn Jahre. Es war Herbst.«
    »Dann ist es eben fast neunzehn Jahre her … dass ich mit Frau Rottenbauer ins Gespräch gekommen bin. Es war im Supermarkt. Noch vor Ihrer Zeit, Paul. Ich habe ihr ein bisschen mein Leid geklagt.«
    »Herumgeflennt hat sie«, stellt Frau Rottenbauer klar, »dass ihr Mann ein Waschlappen ist, der nicht genug Geld nach Hause bringt. Dass er den ganzen Tag nur vor sich hin träumt, auf seiner Geige herumfidelt und mehr Zeit mit seinem Busenfreund Willy Bubenreuth verbringt als mit ihr.«
    »Sie wollten damals ein Kammerorchester gründen«, ergänzt Frau Oberhaid. »Und das Wort Waschlappen habe ich übrigens nie in den Mund genommen. Merk dir das, Etchen, das habe ich nie gesagt.«
    Etienne macht eine wegwerfende Handbewegung. Er scheint die Geschichte auch spannend zu finden und möchte weiter zuhören. Immerhin geht es um ein großes oberhaidsches Familiengeheimnis, von dem er offensichtlich bislang nichts gewusst hat. Da wären mir die Details zunächst auch mal egal.
    »Und dass sie dann alleine in ihrer Küche sitzt und nichts hat außer Kreuzworträtsel und Kuchenbacken«, fährt Frau Rottenbauer fort.
    »Ich glaube, ich war depressiv. Das sagt man heutzutage ja auch wesentlich freier heraus als damals. Ich hatte eigentlich viel früher Kinder gewollt, das kam noch dazu. Aber Olaf meinte immer, wir könnten uns kein Kind leisten. Und auch wenn ich es auf eigene Faust probiert habe, weil ich mal ein paar Tage lang die Pille vergessen hatte oder so, hat es nicht geklappt. Es war eine ganz schlimme Zeit.«
    »Da dachte ich mir: Der Frau kann geholfen werden«, übernimmt Frau Rottenbauer erneut. »Wenn sie nur ein bisschen Geld braucht und etwas Abwechslung zu ihrem tristen Alltag, kenne ich den perfekten Weg. Ich hatte sowieso schon alles eingefädelt.«
    »Es war zwei Tage später, wieder im Supermarkt, da hat
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