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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition)
Autoren: Michael Dissieux
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farblosen, unwissenden Augen starren mich an und verurteilen mich.
    Wie kann so jemand wie David es wagen, mich zu verurteilen? Wie kann er es wagen, mich anzusehen? Mich?
    Aber wenn ich keine drei Wünsche bekomme, werde ich mich eben selbst um alles kümmern müssen. So wie immer.
    Ich werde mich um dich kümmern, mein lieber David. Da kannst du dir ganz sicher sein. Und dann werden sich meine verdammten Hände um deinen verdammten Hals legen, bis deine verdammten Augen zerplatzen.
    Ich werde einfach ausprobieren, ob so etwas funktioniert. Und falls nicht, auch gut – Hauptsache, ich habe meinen Spaß.
    Der Vorhang schließt sich wieder und David verschwindet.

    ***

    Die Nacht bricht herein. Sie kommt wie räudiges Getier aus den Häusern gekrochen, quillt, aufgebrochenen Geschwüren gleich, unter Türen und aus Fenstern hervor und ergießt sich auf die Straße. Finstere Gassen speien die Dunkelheit auf das Pflaster; sie steigt aus Kanaldeckeln auf und fällt wie ein grotesker Vorhang vom Himmel, als würde die Erde ihre letzte Vorstellung beenden.
    Die Schatten werden größer und verleihen der Stadt völlig neue Dimensionen. Farben verblassen und lassen graue und schwarze Schemen zurück, die an Gemälde entarteter Künstler erinnern.
    Nichts regt sich. Kein Strauch wiegt sich im Wind, kein Blatt wird tanzend über den Asphalt getrieben. Es scheint, als würde die Welt sich selbst zum Sterben niederlegen. Was am Tag im strahlenden Sonnenschein noch das verträumte Kleid von Normalität trug, verliert in der Nacht jegliches Leben und legt sich wie tote Haut über die Dächer und Straßen der Stadt. Zurück bleibt ein stiller Friedhof aus Beton, Stahl und Glas, in dessen Gassen der Gestank des Todes wie nebeliger Dunst aus dem Asphalt steigt.
    David starrt aus dem Fenster. Die alte Furcht des Menschen vor absoluter Finsternis steigt in ihm wie eisige Wogen an die Oberfläche. Er würde sich nie an den Anblick der Nacht gewöhnen können. In der Dunkelheit lauern Schatten. Sie huschen in groteskem Tanz durch die Schwärze, verhöhnen und beobachten ihn und warten darauf, dass er einen Fehler macht.
    In dieser Nacht versteckt sich sogar der Mond hinter düsteren Wolken und lässt die Überreste der Erde in einem farblosen Sumpf versinken.
    David schließt den Vorhang, lässt den Rollladen herunter und überlässt die Nacht sich selbst. Die wenigen Öllampen und Kerzen, die er entzündet hat, beruhigen ihn. Das finstere Meer in ihm sinkt und lässt trostlosen, kalten Fels zurück.
    Immer noch am Fenster stehend, blickt er sich im Zimmer um. Es ist so eingerichtet, wie er es sich stets gewünscht hat, jedoch nie leisten konnte. Es musste erst die Welt untergehen, damit sich seine Wünsche erfüllen.
    Die Möbel sind schwer und dunkel und stehen wie schlafende Riesen aus einem düsteren Märchen an den Wänden und in den Ecken. Sie schenken ihm das Gefühl von Geborgenheit und erinnern ihn an das Haus, in dem er aufgewachsen ist. Seine Großeltern hatten ähnliches Mobiliar besessen. Ihr Haus, das heute noch am Rande der Ausläufer von New York an einem glitzernden und murmelnden Bach steht, hatte durch die dunklen Schränke und Tische wie eine gemütliche Höhle gewirkt, in der man ihm Märchen erzählte und wo er sich verstecken konnte, ohne dass der Rest der Welt ihn wahrnahm.
    Schon als Kind hat David die schwere Melancholie geliebt, die ihn stets unter einem feinen Tuch verborgen hielt und ihm eine eigene kleine Welt inmitten von Hektik, Lärm und Gewalt bereitete. Sein Vater hat ihn nie verstanden, ihn einen Träumer genannt, der es auf diese Art nie zu etwas im Leben bringen würde. Oft hat er David verprügelt, meistens, wenn er getrunken hatte, um seine Wut auf den erbärmlichen Job und das Leben im allgemeinen an jemandem auszulassen. David hat sich nie zur Wehr gesetzt, und so bot er das perfekte Opfer.
    Die dunkle Höhle seiner Großeltern am Fluss hat ihn vor den Schlägen der Welt und denen seines Vaters beschützt. Er hat lange gebraucht, bis er sich diesen vertrauten Ort hier in diesem Haus schaffen und all das Böse, das in der Nacht lauert, aussperren konnte. Doch Zeit ist sein geringstes Problem.
    Die Möbel stammen fast ausschließlich aus den Häusern in seiner Straße. Im hellen Sonnenschein, wenn sich die Nacht mit ihren fürchterlichen Schatten wie ein Raubtier auf der Lauer zurückgezogen hat, ist David mit breiten Handkarren oder einem Lieferwagen von Haus zu Haus gefahren, um sich die
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