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Die Rückkehr (German Edition)

Die Rückkehr (German Edition)

Titel: Die Rückkehr (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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ihrem Ohr wäre. Sie blickte von ihrem Blatt auf und wartete darauf, dass der Junge die Türen wieder öffnen würde, aber er war bereits drinnen.
    Dafür, dass er so ein Pummelchen ist, bewegt sich der Knirps ziemlich schnell. Wer hat was schon getan?
    Sie zog sich in ihren Mantel zurück, so dass die Fleece-Fütterung ihren Nacken bedeckte. Trotz des schönen Wetters kündigte der Novemberwind den Winter an und es war fast 10 Grad kälter als in Raleigh. Dad hatte behauptet, dass zu Beginn des letzten Jahrhunderts Gouverneure und Industrielle die Sommer im White Horse verbracht hatten, damals, als der Staat noch von Tabak und Baumwolle lebte, anstatt von Bildung und Forschung. Offenbar hatte die wohlhabende Elite genug Geld und Hirn gehabt, wieder vom Berg zu steigen, sobald die Blätter zu fallen begangen. Nun waren die Bäume knöchrige alte Weiber, und die Abhänge waren braun und grau, die Farben von Fäkalien und Tod.
    Nur Dad konnte so eine bescheuerte Jahreszeit dafür auswählen, um eine Konferenz abzuhalten, aber er hatte gesagt, die Zimmerpreise seien jetzt niedriger und es würde weniger Normalos geben, die einen den Spaß verderben und die Messungen durcheinander bringen würden.
    Kendra platzierte den Bleistift zwischen ihren Zähnen und rieb die Hände aneinander im Versuch, etwas Gefühl in ihre Finger strömen zu lassen. Die Bank war kalt und hart, von der Zeit gezeichnet und stand in der Mitte eines kleinen halbkreisförmigen Plattenwegs, der vom Hauptweg abging. Sie war umgeben von den Skeletten von Rosenstöcken und verkümmertem Buchsbaum. Auf der anderen Seite des Rasens krümmten sich ein paar magere Ziersträucher wie kränkelnde Hexen. Eine fleckige Engelsstatue aus Beton kniete im Gras, die Schutzheilige der hoffnungslosen Fälle, die für eine gründliche Behandlung mit Clorox betete.
    Das Hotel selbst bestand aus drei Stockwerken schräger Architektur, abblätternder Farbe und herabhängender grüner Fensterläden. Über die Länge des Erdgeschosses erstreckte sich eine Veranda, und der Eingang zeichnete sich durch Giebelbogen aus, die sich in 15 Meter Höhe zu einer kleinen Kuppel trafen, die wie ein Glockenturm aussah. Die Dachlinie war ungerade, die waldgrünen Schindeln waren rissig und krumm. Die getünchte Hausverkleidung war ausgebleicht und blätterte ab wie Schorf.
    An den Ostflügel war ein Anbau angeklebt worden, ohne dass man sich Mühe gegeben hätte, auf die Übereinstimmung von Material oder Stil zu achten. Ein Holzzaun umgab das Schwimmbecken, aber die Lücken zwischen den Latten waren groß genug, dass ein zum Ertrinken entschlossenes kleines Kind mühelos hindurchklettern konnte. Allerdings vermutete sie, dass das Wasser für den Winter entweder abgelassen worden oder gefroren war.
    Ein schmaler Streifen zerbröckelnden Asphalts führte von der Hauptstraße durch den Wald zum Hotel, und dichtes Holzgestrüpp verbarg die nahegelegene Stadt Black Rock. Durch den es umgebenden Wald isoliert und am Rande des Gebirgskamms thronend schien das Hotel wie von der Welt vergessen. Vermutlich gab der Ort im Sommer ein wunderbares Postkartenmotiv ab, aber im Augenblick sah das White Horse eher so aus, als ob es bereit wäre, in den großen, weiten Pferdehimmel zu galoppieren.
    Wodurch es wie geschaffen war für Dads kleine Unternehmung.
    Apropos Digger: Es wäre langsam an der Zeit für ihn, so zu tun, als interessiere es sich dafür, ob man mich schon als Sex-Sklavin verschleppt hat.
    Kendra hauchte in ihre Zeichenhand und arbeitete weiter an ihrer Skizze. Normalerweise erzeugte sie eine unheilvolle Stimmung, indem sie die Winkel der Gebäude etwas verdrehte, aber in diesem Fall war die Wirklichkeit fast noch bizarrer als ihre phantasievolle Abbildung.
    Alles, was ihr jetzt noch fehlte, war eine schemenhafte Figur, die an einem der Fenster im ersten Stock erschien.
    Die Spätnachmittagssonne funkelte auf den Gläsern, als Kendra die einhundert Augen des Hotels musterte. In einem der Räume bewegte sich der Vorhang. Sie skizzierte ihn in ihrem Block als Geist im Wissen, dass sie ihn später noch genauer ausarbeiten und mit dem Radiergummi zuschlagen konnte, bevor sie zur Tinte griff und dem Gespenst Dauerhaftigkeit verpasste.
    Sie blickte wieder hoch und sah jemanden neben dem Vorhang stehen. Sie nickte und lächelte. Die Gestalt trat in die Dunkelheit des Raums zurück. Sie zählte ruhig die drei Fenster vom mittleren Vorbau, um später die Zimmernummer herausfinden und die
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