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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart
Autoren: Roddy Doyle
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wissen, dass ihnen Busen und Patronen ordentlich Kohle bringen. Nichts für ungut, was?
    Ich zuckte die Schultern.
    – Nein.
    Ich konnte es mir nicht verkneifen. Ich war tief in meinen Stuhl gerutscht, so dass mein Kopf auf der gleichen Höhe wie seiner war.
    – Sie war älter als ich, sagte ich.
    – Hat sie gekocht?
    – Sie hatte ein Fahrrad, sagte ich.
    – Ihr habt ein Scheißfahrrad gefressen?
    – Nein, sagte ich. – Hören Sie zu.
    Aber er hörte auf eine andere Stimme.
    – Wir sind so weit.
    Ich hatte nicht gesehen, wer gesprochen hatte, aber Ford stand auf.
    – Wir reden noch, sagte er. – Bleib in der Nähe. Notier
Fahrrad
, Meta. Und gib Henry die Geschichte.
    Er sah wieder mich an.
    – Lies die Geschichte, sagte er. – Bin gespannt, was du darüber denkst.
    Er trat auf den Sand, und der Junge mit der Ziehharmonika stimmte
Bringing in the Sheaves
an und lief hinter Ford her, der auf die andere Seite der Wüste zuging.
    Eine Zeitschrift landete auf meinem Schoß. Die
Saturday Evening Post
. Offenbar älteren Datums, an den Rändern vergilbt. Auf dem Umschlag ein Seemann, wohl ein Offizier, mit weißen Handschuhen und Feldstecher. Einer von der Küstenwache, in der einen unteren Ecke war das Dienstabzeichen. Er hielt sich an einer Schiffsreling fest, und hinter seinem Kopf war ein Eisberg.
    Ich sah Meta Sterne an.
    – Wird Ihnen gefallen, sagte sie und guckte auf ihre Notizen.
    – Der Vorname Ihrer Frau, sagte sie. – Ich habe ihn nicht verstanden.
    – Sie hatte keinen, sagte ich.
    – Nein?
    – Nein.
    – Werft den Wind an, brüllte Ford.
    Rechts von mir lief ein Motor an, und ein riesiger Propeller, den ich noch nicht bemerkt hatte, drehte sich erst zögerlich und wurde dann zu einem einzigen gewaltigen Lärmen, Sand trieb über Sand, und Männer mit Tüchern vorm Gesicht stemmten sich gegen den Wind und fegten den Sand mit breiten Besen zurück in die Wüste.
    Ich verlagerte das Gewicht auf mein Bein, packte die Lehne des Klappstuhls und stand auf.
    Vor mir stand jetzt ein anderer Mann. Er war groß und dünn und trug eine dieser blauen Uniformen. Er hatte einen sorgsam gepflegten Schnurrbart und ein kleines Stückchen Bart unter der Unterlippe. Er lächelte nicht, aber wie er da stand, hatte das etwas Entspanntes und Redliches an sich. Seine Augen ... ich hatte sie schon mal gesehen. Sie erinnerten mich an jemanden, den ich gekannt hatte.
    – Wie geht’s?
    Er musste schreien.
    – Bestens, schrie ich zurück.
    – Gut, sagte er. – Freut mich zu hören.
    Er streckte die Hand aus. Es dauerte, bis ich kapiert hatte: Er wollte, dass ich sie schüttelte. Das hatte ich lange nicht mehr gemacht. Seine Hand war so groß wie meine, trocken und stark.
    Er ließ los.
    – Dazu hatten wir keine Gelegenheit, als wir uns das letzte Mal begegnet sind, sagte er.
    – Nein.
    Ich hörte Ford brüllen:
    – Wo ist Hank?
    – Freut mich, dass Sie so gut aussehen, sagte der Mann vor mir. Er drehte sich um und ging über den Sand davon.
    – Wer ist das? fragte ich Meta Sterne.
    – Das ist Henry Fonda. Hank.
    – Der Typ, der mich gefunden hat.
    – Genau.
    Er war in
My Darling Clementine
der Wyatt Earp gewesen, war vom Set gegangen, um zu pinkeln, und hatte mich tot mitten im Monument Valley gefunden.
    Aber nicht deshalb kam er mir bekannt vor.
    Ich sah in den Spiegel. Die
Saturday Evening Post
mit dem Mann von der Küstenwache und seinem Eisberg lag auf dem Bett. Ich hatte sie noch immer nicht aufgeschlagen. Die Jalousie war heruntergelassen, die Sonne ein stumpfer quadratischer Fleck hinter mir.
    Ich besah mir den alten Mann. Ließ ihn den Mund bewegen. Ging mit dem Gesicht noch näher an den Spiegel ran. Trockene Haut, durch die sich weißer Altmännerbart schob. Ich machte ein Auge zu, sah deutlich die Haut, die Vertiefungen und grauen Falten.
    Es war der 7. November 1948. Ich war siebenundvierzig. Aber auf der
Saturday Evening Post
stand als Datum der 11. Februar 1933, demnach war ich einunddreißig.
    Blödsinn. Die Seiten waren trocken und rissig wie meine Haut.
    Ich schaute wieder mein Gesicht an. Der 7. November 1948. Morgen war dann der achte. Ich würde im Spiegel dasselbe Gesicht anschauen. Ich würde wissen, wen ich sah.
    Ich trat zurück und sah wieder hin.
    Die Augen. Ich wusste, wo ich sie schon mal gesehen hatte. Bei Henry Fonda. Seine Augen hatten mich an jemanden erinnert, den ich mal gekannt hatte. Henry Smart. Ich ging zurück zum Spiegel. Ich guckte genau hin. Die Augen waren alt und
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