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Die Rückkehr Des Bösen

Die Rückkehr Des Bösen

Titel: Die Rückkehr Des Bösen
Autoren: Alex Kava
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ihn eines Blickes zu würdigen. Selbst die Farbige, die den Passanten ihre Broschüren anzudrehen versuchte, schien ihn überhaupt nicht wahrzunehmen.
    Kein Zweifel, er litt an Verfolgungswahn! Siebenunddreißig Jahre aufopferungsvolles Wirken im Dienste der Kirche, und was habe ich nun davon? Anschuldigungen und ausgestreckte Finger, die anklagend auf ihn zeigten, obwohl er doch eigentlich Hochachtung und Dankbarkeit verdient hätte! Bei dem Versuch, seiner Schwester alles zu erklären, waren ihm die Nerven durchgegangen, und schließlich hatte er ihr nicht viel mehr gesagt, als dass er die Grundbuchurkunde für das Elternhaus habe ändern und den Familienbesitz ganz auf ihren Namen überschreiben lassen. „Das fehlte noch, dass sich irgendj emand unser Elternhaus unter den Nagel reißt!“ hatte er wutentbrannt gebrüllt.
    Er wäre in diesem Moment gerne dort gewesen. Es war ein einfaches zweigeschossiges Fachwerkhaus auf einem gut zwölftausend Quadratmeter großen Grundstück in Connecticut, umgeben von Bäumen und Bergen. Er musste an die Wanderwege denken und an den Himmel, vor allem den Himmel – hier hatte er sich Gott immer am nächsten gefühlt. Er verzog das Gesicht, als ihm die Ironie bewusst wurde, dass ausgerechnet die herrlichen Kathedralen und vollen Kirchen ihn zusehends weiter vom Allmächtigen entfernt hatten.
    Lautes Gezeter schreckte ihn auf und holte ihn unversehens in die Gegenwart zurück. Was wie Schreie eines exotischen Vogels klang, stammte von einem Dreikäsehoch, der wohl gerade seine tollen fünf Minuten hatte. Ungerührt zog die Mutter den Knirps weiter, offenbar taub für das Geschrei, das so vehement an Monsignore O’Sullivans blank liegenden Nerven zerrte, dass sich seine Kiefer verkrampften und er kurz davor war, mit den Zähnenknirschen. Er stand auf und steuerte geradewegs die Herrentoilette an.
    Zum Glück war sie leer. Trotzdem spähte er vorsichtshalber unter den Klozellentüren hindurch. Dann stellte er die Aktenmappe neben sich auf den Boden, an sein linkes Bein gelehnt, als wolle er um jeden Preis verhindern, den Körperkontakt zu verlieren. Nachdem er die Brille abgenommen und auf dem Rand des Waschbeckens abgelegt hatte, hielt er seine Hände unter die Wasserdüse, jedoch ohne Ergebnis, was das Gefühl seiner Ohnmacht nur noch steigerte. Ungeduldig bewegte er die Hände hin und her, bis endlich ein kurzer Wasserstrahl aus dem Hahn schoss, allerdings kaum genug, um sich die Fingerspitzen zu befeuchten. Er wiederholte die Bewegung, und wieder schoss ein Wasserstrahl hervor. O’Sullivan schloss die Augen und benetzte sich das Gesicht, so gut es eben ging. Er spürte, wie seine Übelkeit sich unter der kühlen Feuchtigkeit legte und das dumpfe Pochen in seinen Schläfen allmählich abebbte.
    Seine Hände tasteten nach dem Papiertuchspender und rissen mehr ab als benötigt. Angeekelt von dem Altpapiergeruch und der rauen Oberfläche des Recyclingpapiers, tupfte er sich vorsichtig das Gesicht ab. Dass sich die Tür öffnete, bemerkte er gar nicht. Erst als er in den Spiegel blickte, sah er hinter sich die verschwommenen Umrisse einer Gestalt.
    „Bin schon fertig“, nuschelte er in der Annahme, er stehe im Wege, obwohl doch weitere Waschbecken frei waren. Warum muss der Kerl ausgerechnet dieses benutzen? O’Sullivan tastete nach seiner Brille, stieß aber so ungeschickt dagegen, dass sie zu Boden fiel. Ehe er sich bücken und sie aufheben konnte, legte sich von hinten ein Arm um seinen Hals und drückte ihm die Luft ab.
    „Wie Sie schon sagten, Monsignore.“ Die Stimme an seinem rechten Ohr klang weich und sanft. „Sie sind fertig.“
    Ein silbernes Blitzen, mehr sah O’Sullivan nicht. Der stechende Schmerz breitete sich wie Feuer in seinem Brustkorb aus, und er nahm im selben Moment einen eigenartigen Duft wahr. Schwer und metallisch.

2. KAPITEL
    Washington, D. C.
    Mit einem menschlichen Kopf zu hantieren war alles andere als ein Vergnügen. Jedenfalls war Special Agent Maggie O’Dell dieser Ansicht.
    Sie stand an der Uferböschung und sah voller Mitgefühl für den jungen Kriminaltechniker der Spurensicherung auf den unterhalb ihrer Füße liegenden Fundort hinab. Was dem wohl durch den Sinn gehen mochte, während er da im Schlamm kauerte und den Schädel sorgfältig von allen Seiten inspizierte, dachte sie. Sogar Detective Julia Racine, die neben ihm stand, blieb stumm und sparte sich ihre üblichen Kommentare. So still hatte Maggie sie noch nie erlebt.
    Stan
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