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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman
Autoren: Inez Corbi
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Wort betonte, gefiel Lina nicht. »Ja natürlich. Die Obstplantage gehört den Trebans. Also Alexander und mir.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher.« Erneut biss Seip in den Apfel, kaute und schluckte.
    »Sie meinen, wegen des Geldes, das wir Ihnen noch schulden? Sie können uns nicht auch noch unsere Plantage wegnehmen wollen!«
    »Wer spricht denn von Wegnehmen? Ich halte mich nur an das Gesetz.« Er strich sich über das Kinn. »Wie alt ist Alexander? Neunzehn, nicht wahr?«
    Lina antwortete nicht. Zorn und Verachtung würgten sie.
    Seip störte sich nicht daran. »Mit neunzehn Jahren ist er noch nicht volljährig«, sagte er langsam. »Das heißt, er darf weder Verträge unterzeichnen noch Eigentum erwerben. Und voll erbberechtigt ist er auch noch nicht. Das alles ist ihm erst möglich, wenn er einundzwanzig wird. Aber das dauert noch fast zwei Jahre.«
    Lina schluckte. Daran hatte sie überhaupt noch nicht gedacht!
    »Und bis dahin wird er einen Vormund brauchen, der in seinem Namen handelt«, fuhr Seip fort. Jetzt grinste er richtiggehend bösartig. »Ich dachte daran, dieses Amt zu übernehmen. Ein entsprechender Antrag liegt der Kommission schon vor.« Er schnickte den angebissenen Apfel durch das kleine Fenster in Linas Zelle. »Einen schönen Tag noch, Karolina.«

Kapitel 25
    Der Sonntag verstrich quälend langsam. Lina hatte Zeit, sich Gedanken zu machen. Viel zu viel Zeit. Daher war sie mehr als dankbar für die Ablenkung, als sich gegen Mittag Mr Mills blicken ließ, um ihr eine neue Flasche Wasser und etwas zu essen zu bringen.
    »Hat meine Frau gekocht«, sagte er fast verlegen, als er ihr einen Löffel und zwei mit Tellern abgedeckte Schüsseln hineinreichte. Er war ordentlich gekleidet und rasiert, schließlich war Sonntag. Schon gestern hatte er ziemlich zerknirscht ausgesehen, als Lina ihm erzählt hatte, dass es Seip gewesen war, der sie besucht hatte.
    »Sag’s keinem weiter, ja?«, hatte er sie gebeten. »Hab ich doch nich’ wissen können. Sonst wär ich doch nich’ ins Wirtshaus!«
    Lina nahm die Teller fort und sah Rüben, Kartoffeln und ein in mehrere kleine Teile zerschnittenes Stück Schweinebraten mit Soße, dazu Sandkuchen. Der Essensduft ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    »Sagen Sie Ihrer Frau herzlichen Dank«, meinte sie gerührt und stellte die Schüsseln neben der Pritsche auf den Boden.
    »Und dann«, sagte Mills, »bat mich ein junger Mann auch noch, dir das zu geben.« Er reichte ihr ein kleines, aber schweres, in eine Zeitung eingeschlagenes Bündel durch die Luke.
    »Ein junger Mann?«, fragte sie aufgeregt und zerrte an dem Papier. Das konnte ja nur Alexander gewesen sein! Wie hatte er so schnell von ihrer Misere erfahren?
    Vier Bücher fielen ihr entgegen. Englische Bücher.
    Lina blickte überrascht auf. »Wer war das? Hat er seinen Namen genannt? War es Alexander?«
    »Nein, kein Alexander.« Mills schüttelte den Kopf. »Es war dieser China-Mann, der mit dem Ochsengespann.«
    »Aha«, machte Lina verwundert. Dass zumindest Appo Hocton an sie dachte, erfüllte sie mit Dankbarkeit.
    Den Rest des Sonntags und die ganze Nacht war Lina allein. Mills hatte ihr – was eigentlich verboten war – auch eine Petroleumlampe gebracht, damit sie lesen konnte. Offenbar lag ihm daran, seinen Fehler wiedergutzumachen.
    Und so las sie. Sie war Appo sehr dankbar für die Bücher, denn diese halfen ihr, wenigstens für kurze Zeit ihre Misere zu vergessen. Immer wieder blätterte und las sie in den Gedichten von Milton und Burns, in Gullivers Reisen von Swift, in Sternes Tristram Shandy und in den Erzählungen des Baron Münchhausen – alles auf Englisch, was ihr nicht geringe Mühe bereitete, aber das störte sie nicht. Es half ihr, sich abzulenken.
    Hoffentlich waren die Kinder gut nach Waimea gelangt und saßen jetzt bei den Bensemanns oder den Kellings. Immer wieder lauschte sie auf die Geräusche, die durch das winzige Fenster drangen, aber heute vernahm sie nur ein paar entfernte Stimmen und Vogelgezwitscher. Keine Gewehrsalven wie gestern. Natürlich: Am Sonntag würden die Rekruten bestimmt keine Schießübungen absolvieren dürfen.
    Was Alexander wohl machte? Sie vermisste ihn so sehr. Dennoch tat es gut, an ihn zu denken.
    Wenn sie nicht las oder ihren Gedanken nachhing, ging sie in ihrer winzigen Zelle auf und ab. Der Verschlag war aus einzelnen Brettern zusammengenagelt worden; mit einem geeigneten Werkzeug wie einem Handbohrer oder auch nur einer starken
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